Mardini-Prozess: neue Schikane der Justiz

Schon 2019 setzte Amnesty International sich für die verfolgten Flüchtlingshelfer ein

Der unglaubliche ERCI-Prozess (1) gegen Flüchtlingshelfer geht mit der nächsten Farce weiter. Sara Mardini war 2018 dreieinhalb Monate im griechischen Gefängnis eingesperrt. Seitdem läuft ein Verfahren gegen sie und 23 weitere Angeklagte. Ihnen drohen viele Jahre Gefängnis. Medien in vielen Ländern haben Sara Mardini, eine der Angeklagten, mittlerweile Millionen Menschen vorgestellt. Das hindert die griechische Justiz nicht daran, lächerliche Manöver zu ihrer Kriminalisierung, ohne ernsthafte juristische Rechtfertigung zu unternehmen.
Mardini wurde für das Retten von Geflüchteten 2016 mit dem bekannten Medienpreis „Bambi für Stille Helden“ ausgezeichnet. Netflix veröffentlichte 2022 einen zwei Stunden langen Spielfilm über ihr Leben (2), 2023 folgte ein 89 Minuten langer Dokumentarfilm (3).
Im Januar 2023 wurde zwar ein Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit eingestellt, aber gleichzeitig läuft ein zweites Verfahren, in dem den selben Angeklagten viel schwerere Vergehen vorgeworfen werden. Nun stellt sich aber heraus, dass auch das Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit noch fortgesetzt wird.
Wenn diese Verzögerungstaktik so fortgeführt wird wie bisher, dann wird es erst in 15 Jahren zu einer tatsächlichen Beendigung des Verfahrens kommen (4).

Heute, am 15.4.2023 informierten die Angeklagten über ein neues Schikanemanöver der griechischen Justiz. Siehe dazu ihren Beitrag auf Instagram:

„Wir dachten, dass das Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten endlich abgeschlossen sei. Das war es nicht. Am 16. Mai wird der Oberste Gerichtshof über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen unser Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit im Januar 2023 verhandeln. Das Verfahren im Januar wurde vor allem aus zwei Gründen abgewiesen: wegen fehlender Übersetzungen und mangelnder Klarheit der Spionagegesetze. Vor Gericht waren die Staatsanwaltschaft, die Verteidigung und der Richter der Ansicht, dass diese Verfahrensfehler so schwerwiegend waren, dass das Verfahren wegen Ordnungswidrigkeit eingestellt werden musste.

Nun argumentiert ein anderer Anwalt, dass es nicht notwendig war, den Angeklagten eine Übersetzung zur Verfügung zu stellen (?!), und dass die Gesetze in Bezug auf Spionage klar genug sind. Wenn der Oberste Gerichtshof der Berufung stattgibt, werden wir uns erneut an das Berufungsgericht wenden, um ein neues Verfahren wegen der Ordnungswidrigkeiten zu erreichen. Um dies zu ermöglichen, wird die Verjährungsfrist um bis zu drei Jahre verlängert. Der Oberste Gerichtshof wird wahrscheinlich drei bis sechs Monate brauchen, um eine Entscheidung zu treffen.

Die Anklagen wegen Ordnungswidrigkeiten wurden erst nach fast fünf Jahren Wartezeit und zwei getrennten Versuchen einer Verhandlung abgewiesen. Bei jedem Versuch machte die Staatsanwaltschaft so gravierende Verfahrensfehler, dass der Fall nicht verhandelt werden konnte.

Fünf Jahre lang warteten wir auf eindeutige, übersetzte Anklageschriften, und die Staatsanwaltschaft erließ sie nicht. Fünf Jahre lang haben wir auf Klarheit darüber gewartet, wie wir wegen Spionage angeklagt werden können, ohne zuvor der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung für schuldig befunden worden zu sein, und sie wurde uns nicht gegeben.

Jetzt müssen wir wieder warten.

Wenn aufgeschobene Gerechtigkeit verweigerte Gerechtigkeit ist, dann werden wir noch länger auf Gerechtigkeit warten müssen.“

Anmerkungen

(1) ERCI (Emergency Response Center International) war der Name der griechischen NGO zur Rettung von Geflüchteten, um die es bei diesem Prozess geht. Der griechische Staat hat es geschafft, die NGO durch die Kriminalisierung völlig zu zerschlagen.

(2) Zum Netflixfilm: Heldin im Film und in der Wirklichkeit – aber erst im Gefängnis, jetzt vor Gericht.

(3) „Über vier Jahre hat die Filmemacherin Charly Wai Feldman Saras Kampf um Gerechtigkeit und um eine neue Zukunft in Berlin begleitet“. siehe https://mindjazz-pictures.de/filme/sara-mardini-gegen-den-strom/

(2) Siehe dazu: Staatsterror Verfahrensverschleppung

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