
Documentonews.gr 14.4.2023:
„Der LIBE-Ausschusses (für Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres) des Europäischen Parlaments war im März nach Griechenland gekommen, um eine Reihe von Gesprächen zu den Beschwerden bezüglich der Rechtsstaatlichkeit und des Abhörskandals durchzuführen.
Der jetzt veröffentlichte Berichtsentwurf des LIBE-Ausschusses ist eine vernichtende Anklage gegen die Regierung Mitsotakis. Er betont auch, dass der Ausschuss Einladungen zu Treffen u.a. an den Premierminister, den Justizminister und den Staatsanwalt des Obersten Gerichtshofs geschickt hatte, diese aber nicht stattfanden.
Im endgültigen 19-seitigen Entwurf des Berichts vom 11. April 2023, macht der Ausschuss keinen Hehl aus seiner Besorgnis darüber, dass viele Journalisten in Griechenland „physischen Drohungen, verbalen Angriffen, auch von hochrangigen Politikern und Ministern, sowie der Verletzung ihrer Privatsphäre durch Spionageprogramme oder SLAPPs (1) ausgesetzt sind“.
In den Schlussfolgerungen wird unter anderem hervorgehoben, dass „Griechenland über einen soliden institutionellen und rechtlichen Rahmen, eine lebendige Zivilgesellschaft und unabhängige Medien verfügt“, jedoch: „Es wird ernsthafte Besorgnis über sehr ernste Bedrohungen der Rechtsstaatlichkeit und der Grundrechte geäußert“.
Ferner heißt es in dem Bericht: „Die Organisationen der Zivilgesellschaft stehen unter enormem Druck und das Justizsystem ist extrem langsam und ineffektiv, was zu einer Logik der Straflosigkeit führt“.
Natürlich verhehlt der Ausschuss nicht seine „Überraschung“ darüber, dass „fast zwei Jahre nach dem Mord an Yorgos Karaivas noch immer keine sichtbaren Fortschritte bei den polizeilichen Ermittlungen zu verzeichnen sind“. Er betont, dass dies eine abschreckende Wirkung auf andere Journalisten hat. Er besteht darauf, dass der Fall ohne weitere Verzögerung untersucht werden muss, und fordert die Behörden auf, Europol um Hilfe zu bitten“.
Der Ausschuss verweist auch auf die „anhaltenden Schikanen“ gegenüber der ehemaligen Leiterin der Korruptionsstaatsanwaltschaft Eleni Touloupaki und drückt seine Besorgnis über „Unterfinanzierung, Unterbesetzung, Einschränkung von Befugnissen, undurchsichtige Ernennungsverfahren sowie Schikanen und Einschüchterungen von Mitarbeitern unabhängiger öffentlicher Einrichtungen wie der Behörde für den Schutz des Kommunikationsgeheimnisses aus.
Was die Gleichbehandlung anbelangt, so verfügt Griechenland über einen soliden Rechtsrahmen, und es wurden Schritte in die richtige Richtung unternommen, wie etwa die Einrichtung der neuen Menschenrechtskommission. Die Realität sieht jedoch für LGBTI-Personen, Roma und andere ethnische Minderheiten sowie für Frauen ganz anders aus. Die Mehrheit der Delegation appelliert an alle politischen Kräfte, sich in diesem Bereich an die Spitze der Bemühungen zu stellen und den sozialen Wandel zu fördern. Besondere Themen sind häusliche Gewalt, Polizeigewalt und die Gleichstellung der Ehe.
Schließlich fordert der Ausschuss die Regierung auf, den Gesetzgebungsprozess durch die Einführung echter und sinnvoller Konsultationen zu verbessern und die umstrittene Praxis der Omnibus-Gesetzgebung abzuschaffen.
Über das Treffen mit Menoudakos und Rammos
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Der Bericht bezieht sich auch auf das Treffen mit dem Präsidenten der Griechischen Datenschutzbehörde, Konstantinos Menoudakos, und mit dem Präsidenten Christos Rammos und Vertretern der Kommunikationsschutzbehörde.
In dem Bericht heißt es: „Die Präsidenten der beiden Behörden gaben einen Überblick über die Zuständigkeiten ihrer jeweiligen Behörden, ihre Tätigkeiten, ihre begrenzten Ressourcen, die große Zahl von Beschwerden, die sie als Behörden zu bearbeiten haben, und sprachen viele Fragen im Zusammenhang mit ihren Grenzen, Zuständigkeiten und notwendigen Gesetzesänderungen an.“
Er führt weiter aus, dass unter anderem Folgendes festgestellt wurde:
– Die große Anzahl von Beschwerden im Zusammenhang mit dem Predator-Skandal. – Die Stellungnahme des Staatsanwalts des Obersten Gerichtshofs vom Januar, wonach die Kommunikationsschutzbehörde aufgrund der geltenden Gesetzgebung keine Inspektionen durchführen kann. Die Kommunikationsschutzbehörde gab eine öffentliche Erklärung ab, in der sie die Auffassung vertrat, dass die Behörde die Befugnis zur Durchführung dieser Inspektionen habe, da sie gemäß der Verfassung eine unabhängige Behörde sei, und betonte, dass sie ihre Aufgaben weiterhin in vollem Umfang wahrnehmen werde.“
Den Originalbericht des Ausschusses kann man hier lesen (auf englisch).
Anmerkung
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(1) SLAPP ist laut Wikipedia „(engl. strategic lawsuit against public participation = Strategische Klage gegen öffentliche Beteiligung; engl. slap = Ohrfeige, Schlag ins Gesicht) eine rechtsmissbräuchliche Form der Klage, die den Zweck hat, Kritiker einzuschüchtern und ihre öffentlich vorgebrachte Kritik zu unterbinden. …Typischerweise geht es nicht darum, ob die Klage realistische Erfolgsaussichten hat, sondern darum, den Beklagten durch die zu befürchtenden Prozesskosten und den hohen Aufwand eines Gerichtsverfahrens dazu zu bringen, „freiwillig“ seine Tätigkeit einzustellen. Eine SLAPP kann auch dazu führen, dass andere davon abgehalten werden, sich an der Debatte zu beteiligen.“