Wasserprivatisierung adé ?


Die Zahl der Unterschriften gegen Wasserprivatisierung ist mittlerweile auf mehr als 212.500 angestiegen. Das Thema war in Griechenland gerade höchst verwirrend in der Öffentlichkeit präsentiert worden. Es war die Rede davon, dass Wasser wieder in Staatsbesitz überführt werden würde. Ein Erfolg unserer Petition? Weit gefehlt.

Beitrag von Ralf Kliche

Ende Februar 2018 machte eine Meldung der griechischen Regierung über die „Rückführung der Wasserwerke von Athen und Thessaloniki in die öffentliche Hand“ die Runde. Durch diese Meldung, die auch von zahlreichen Medien aufgegriffen wurde, konnte der Eindruck entstehen, dass die Privatisierung der Wasserversorgung in Griechenland gestoppt oder zumindest die Beendigung des Prozesses eingeleitet sei.
Inzwischen wurde durch genauere Berichte aus Medien und von Seiten der Beschäftigten der Wasserwerke deutlich, dass es so einfach nicht ist. Schon die Zusammenhänge zwischen den involvierten Unternehmen, Behörden und Aufsichtsgremien sind komplex und ihr Verständnis wird noch erschwert, wenn man sich nicht genau darüber Rechenschaft ablegt, was unter „Privatisierung“ zu verstehen sei. Allein die Rechtsform einer Aktiengesellschaft, wo verschiedene Anteilseigner, öffentliche wie private, Eigentum am Unternehmen besitzen, macht deutlich, dass ein Unternehmen nicht entweder öffentlich oder privat sein muss. Darüber hinaus lässt sich die Frage nicht einfach durch den Verweis auf die Eigentümer der Aktienmehrheit beantworten. Selbst wenn eine Mehrheit sich etwa in öffentlicher Hand befindet, kann sich das Unternehmen den Gesetzen kapitalistischer Akkumulationslogik und Profitmaximierung unterwerfen; es muss sogar diesen Gesetzen bei Strafe des eigenen Untergangs folgen, wenn es auf die Rahmenbedingungen kapitalistischer Konkurrenz trifft – gut ersichtlich z.B. bei den Zwängen, denen öffentliche Krankenhäuser in Deutschland angesichts eines (teil-) privatisierten Gesundheitsmarktes gegenüber stehen.

Aber versuchen wir die Fäden der „Privatisierung der griechischen Wasserversorgung“ etwas zu entwirren. Die Entwicklungen dürften aus den Solidaritäts-Aktionen gegen die Wasserprivatisierung hinlänglich bekannt sein: Die ursprünglich öffentlichen Wasserwerke von Athen und Thessaloniki sollten verkauft / privatisiert werden. Der Widerstand dagegen mündete in eine Volksabstimmung, in der sich 2014 in Thessaloniki 98% der Teilnehmer gegen eine Privatisierung aussprachen. Den vorläufigen Endpunkt setzte eine Entscheidung des obersten griechischen Verwaltungsgerichts, wonach eine Mehrheit der Unternehmen in öffentlicher Hand verbleiben müsse. SYRIZA erklärte, dieser Entscheidung folgen zu wollen.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Anteile an den Wasserwerken, die veräußert werden sollten, bereits an die „Treuhand“ – die Privatisierungsagentur TAIPED / HRADF – übertragen worden. Diese Gesellschaft ist ein 100%ig staatliches Unternehmen und ihre einzige Aufgabe ist der Verkauf von (Anteilen an) Unternehmen. Im Rahmen der Regelungen des dritten Memorandums 2015 wurde dann die Gründung eines sogenannten „Superfonds“ in Absprache mit den Kreditgebern beschlossen. Er arbeitet seit September 2016. (1) Dieser Fonds wurde TAIPED zur Seite gestellt, sein Ziel sollte sein, staatliche Betriebe zu sanieren – auch / vorrangig durch ihre Privatisierung. Diese wurden deshalb (zu bestimmten Anteilen) in den Fonds eingebracht, ihre Privatisierung wurde teilweise vollzogen (die griechischen Eisenbahnen), teilweise sind die Prozesse noch nicht abgeschlossen (die staatliche Elektrizitätsgesellschaft).

Seit seiner Gründung wird auch über die Beurteilung des Superfonds gestritten. Die griechische Regierung und Finanzminister Tsakalotos betonen, dass der Fonds dem Finanzministerium angliedert ist und nicht zwingend alle eingebrachten Unternehmen verkauft werden sollen, sie sehen ihn also als eine öffentliche Institution. Die Kritiker hingegen verweisen auf die Entstehung des Fonds durch den Druck der Troika und auf die Zusammensetzung des Aufsichtsrates. Dort sitzen zwar 3 Personen der griechischen Seite und nur 2 „Europäer“, aber alle 5 sind durch eine gemeinsame Absprache festgelegt worden, bei der die Kreditgeber das letzte Wort hatten. So war etwa ein Vertreter der „griechischen Seite“ vorher beim IWF beschäftigt und arbeitete für das US-Außenministerium.

Die Wasserwerke hätten auch, so war es vom Parlament beschlossen worden, in den Superfonds übertragen werden sollen. Das hatte die Regierung aber bislang nicht getan und war insofern im Verzug.

Erst jetzt, im Zuge des Jahreswechsels wurde die Übertragung der Aktienanteile an den Superfonds vorgenommen: zum einen der Anteile des griechischen Staates, zum anderen der Anteile von TAIPED, die nicht in jedem Fall verkauft werden sollen. Die zu verkaufenden Anteile wurden bei TAIPED belassen. Damit liegen jetzt die 50% bei dem Superfonds.

Die Organisation der Beschäftigten der Wasserwerke Athen veröffentlichte dazu die folgende Aufstellung über die Verschiebung der Aktienanteile: (2)

Tabelle

Genau diese Verschiebungen werden von der Regierung und Teilen der Medien als „Rückübertragung“ des Wassers in die öffentliche Hand beschrieben, begründet allein mit der Anbindung des Superfonds an das Ministerium. Genauso ließe sich behaupten, dass die öffentliche Hand jetzt gar kein Eigentum an den Wasserwerken mehr besitzt, weil alle ihre Anteile an den Superfonds übergegangen sind.

Von Seite der Banken wird der Vorgang als durchaus problematisch angesehen. Sie befürchten, dass die Ziele der Profitmaximierung nicht erreicht werden können, wenn der Superfonds mit durch „Parteien kontrollierten Verwaltungen“ in den Unternehmen zusammenarbeiten muss, die nicht durch den Superfonds kontrolliert werden können. (3) Mit anderen Worten: wenn neben der Akkumulationslogik des Kapitals auch soziale Aspekte für unternehmerisches Entscheiden und Handeln herangezogen werden. Der zitierte Text endet mit der Frage, was der Superfonds wohl unternehmen wird, wenn sich herausstellt, dass sich in den Wasserwerken keine „befriedigende Rentabilität“ herstellen lässt.

Das kann durchaus eine Entscheidung für den Verkauf weiterer Anteile sein, unabhängig von der Frage, wie „sozial“ die Wasserwerke mit ihren Kunden umgehen. (4) Für ein Nachlassen der Solidarität mit den Gegnern der Wasserprivatisierung in Griechenland besteht jedenfalls kein Grund. Sie sind weiter auch auf Unterstützung aus dem Ausland angewiesen.

Diese Sichtweise vertritt auch Georgios Archontopoulos, der Präsident der Gewerkschaft der Wasserwerke von Thessaloniki in einer Stellungnahme vom 07.03.2018 auf der Internetseite der Organisation. Auch er sieht eine „öffentliche Kontrolle“ des Superfonds aufgrund seiner Strukturen als nicht gegeben und erwartet zudem, dass durch die veränderte Eigentümerstruktur 50% der Unternehmensgewinne nicht mehr zurück in das Unternehmen sondern in die Schuldentilgung des Landes fließen werden.

Auch er sieht die entscheidende Frage darin, ob und in wieweit in den Unternehmen das Prinzip der Profitmaximierung das der öffentlichen Daseinsvorsorge ersetzt, nicht darin, wem wie viele Unternehmensanteile gehören – wenngleich beide nicht unabhängig voneinander sind. „Es ist leicht nachvollziehbar, dass die Unternehmen Gewinne machen müssen, damit auch der Superfonds Gewinne machen kann. So wird Wasser in eine Ware umgewandelt, in eine Quelle des Profits… Auch in der öffentlichen Preisgestaltung können die Kosten ggf. an die Nutzer weitergegeben werden, um die Rentabilität nicht zu beeinträchtigen. Die soziale Rolle der Wasserunternehmen droht so zu verschwinden. In den Wasserwerken wurde eine Logik des Profits durchgesetzt und diese Logik hat über die Jahre hinweg Wasser als öffentliches Gut immer weiter in den Hintergrund gedrängt. Im Vergleich zu 2001 lässt sich erkennen, wie weit sich die Wasserunternehmen von den Bürgern entfernt haben.“

Quellen:
(1) https://griechenlandsoli.com/2016/09/29/elefant-im-schrank-der-neue-privatisierungsfonds-jetzt-durchs-parlament/
(2) https://sekes-eydap.gr/%CE%B1%CE%BD%CE%B1%CE%BA%CE%BF%CE%AF%CE%BD%CF%89%CF%83%CE%B7-%CF%83%CE%B5%CE%BA%CE%B5%CF%83-%CF%83%CF%84%CE%B7-%CE%B2%CE%B9%CE%B1%CF%83%CF%8D%CE%BD%CE%B7-%CF%84%CE%BF%CF%85%CF%82-%CE%BD%CE%B1/ , unklar ist bei den Berechnungen, wieso der angegebene Anteil des Superfonds mit 49,965% unter der relevanten Marke von 51% bleibt.
(3) http://bankingnews.gr/index.php?id=353393
(4) Viele in Griechenland halten es derzeit – noch – für ausgeschlossen, dass es zu einem Abschalten von Wasseranschlüssen bei Zahlungsverzug kommt.
(5) https://sekes-eydap.gr/%ce%b5%cf%85%ce%b1%ce%b8-%ce%ba%ce%b1%ce%b9-%ce%b5%cf%85%ce%b4%ce%b1%cf%80-%cf%83%cf%84%ce%bf-%cf%85%cf%80%ce%b5%cf%81%cf%84%ce%b1%ce%bc%ce%b5%ce%af%ce%bf-%cf%84%ce%b1-%cf%88%ce%ad%ce%bc%ce%b1%cf%84/

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