
Von Ralf Kliche
Die Berichterstattung über die eskalierenden Konflikte zwischen Griechenland und der Türkei um Hoheitsgebiete und Wirtschaftszonen im östlichen Mittelmeer hat in der letzten Zeit Eingang in die mediale Berichterstattung Deutschlands gefunden, schon um die Selbstdarstellung deutscher Außenpolitik als „ehrlicher Makler“ zu stützen, der kalmierend und friedliebend auf irrationale Konfliktparteien einwirkt. (1) Schon weniger wurde darüber berichtet, dass angesichts des kaum verdeckt ausgetragenen Konflikts zwischen Deutschland und Frankreich um die Positionierung (auch der EU) in dem Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei die Luftwaffe Griechenlands durch insgesamt 18 moderne Kampfflugzeuge aus Frankreich aufgerüstet werden wird. (2) Noch weniger wird in deutschen Medien darüber berichtet, dass der Kauf dieser Flugzeuge durch Griechenland nur die Spitze eines umfangreichen und teuren militärpolitischen Aufrüstungsprogramms ist, in dem Frankreich eine wichtige Rolle spielen wird.
Bei der französischen Verteidigungsministerin Florence Party und dem Hersteller Dassault Aviation haben jedenfalls schon die Sektkorken geknallt, als bei der Feier auf die langjährige Zusammenarbeit der Länder bei Rüstungsgeschäften angestoßen wurde. „Diese Ankündigung spiegelt die Stärke der Zusammenarbeit wider, die die griechische Luftwaffe seit mehr als 45 Jahren mit Dassault Aviation verbindet, und zeigt die anhaltenden strategischen Beziehungen zwischen Griechenland und Frankreich.Griechenland bestellte bereits 1974 40 Mirage F1 bei Dassault Aviation, 1985 bestellte es 40 Mirage 2000 und im Jahr 2000 noch einmal 15 Mirage 2000-5. Der jüngste Auftrag umfasst auch die Modernisierung von zehn Mirage 2000 Maschinen zum Modell 2000-5, dabei wird auch die griechische Industrie einen großen Beitrag leisten“ (3)
Der Deal, der wohl im November ratifiziert werden wird, umfasst Berichten zufolge ein Volumen von 2 Mrd. Euro, wovon Griechenland, 1,7 Mrd. Euro für die Fighter und 300 Mio. für Waffensysteme bezahlen wird. Hiervon wird über die Beteiligung von Airbus am französischen Rüstungsunternehmen MBDA wohl auch ein geringer Teil für Deutschland abfallen.
Diese Aufrüstung der Luftwaffe war nicht die erste Maßnahme für die Luftwaffe. Bereits 2019 hatte Griechenland bei dem US-Hersteller Lockheed Martin die Modernisierung seiner F-16 Kampflieger bestellt, um so gegenüber der Türkei Vorteile zu gewinnen – Lockheed Martin hatte auch an die Türkei geliefert, aber die modernisierte Variante ist halt, wie es heißt „more lethal“. Hinzu kommt der Zeitaspekt: Die erneuerten F-16 aus den USA sollen erst ab 2022 geliefert werden. Angesichts der eskalierenden Entwicklungen der letzten Zeit erlaubt der Kauf in Frankreich einen schnelleren Einsatz der Maschinen. So wird berichtet, dass es sich bei 8 der 18 Maschinen, die offiziell als „Geschenk“ Frankreichs an Griechenland bezeichnet werden, um voll bewaffnete aktuelle französische Flugzeuge handelt, die sofort geliefert werden. Sie sollen zu denen gehören, die vor wenigen Wochen Einsätze in Libyen geflogen und dort türkische Abwehrsysteme überwunden haben. Die 10 neuen Maschinen gehören zum einem Paket von 24 Maschinen, das Ägypten in Frankreich bestellt hat und die derzeit gefertigt werden. So soll erreicht werden, dass die ersten neuen Maschinen Mitte 2021 geliefert werden.
Auch im Bereich der Marine gibt es Anstrengungen, umfangreiche militärische Investitionen zu tätigen, auch hier ist Frankreich eingebunden – allerdings ziehen sich die Verhandlungen bislang ohne endgültige Ergebnisse hin. Bereits Tsipras hatte mit Macron 2018 über Möglichkeiten eines Leasing-Vertrages für zwei moderne französische Fregatten („Belharra-Klasse“) gesprochen, Absichtserklärungen wurden aber von beiden Seiten schließlich dementiert. Im Oktober 2019 wurde eine Absichtserklärung der Außenminister Frankreichs und Griechenlands über den Kauf zweier Fregatten unterzeichnet, von der Griechenland derzeit aber abzurücken scheint. Wieder neu aufgekommene Gerüchte über ein mögliches Leasinggeschäft wurden erneut von französischer Seite dementiert. (4) Bei den Kosten für eine Fregatte wird von ca. 700 Mio. Euro (ohne Bewaffnung) gesprochen.
Deutschland spielt derzeit bei den Waffenimporten im Marinebereich keine große Rolle mehr, ihr Quasi-Monopol bei U-Booten besteht aber immer noch. Sie geht auf die Bestellung von zunächst 4 U-Booten bei der Kieler HDW zurück. Noch gut in Erinnerung ist, dass der griechische Staat angesichts der inzwischen massiven Finanzprobleme in der Krise in Zahlungsschwierigkeiten gekommen war und dann, als er auf Unterstützung durch die EU angewiesen war, genötigt wurde, 2010 sogar noch zwei weitere U-Boote zu bestellen. Damals schrieb Telepolis dazu: „Während die griechische Regierung die Renten und die Löhne massiv kürzt, kauft sie zur gleichen Zeit deutsche Militärtechnik im Wert von über einer Milliarde Euro.“ und Daniel Cohn-Bendit empörte sich im EU-Parlament über die Scheinheiligkeit europäischer Hilfszusagen. (5)
Auch beim Heer ist die wichtige Rolle Deutschlands für die griechische Aufrüstung, z.B. bei der Versorgung mit unzähligen Leopard-Panzern, erkennbar – dies war selbstverständlich auch zu Zeit der Junta der Fall. In einer lesenswerten Studie von 2015 wird deutlich, dass Deutschland diese Rolle auch nach 1989 weiter spielte: „Deutschland etablierte sich nach dem Ende des Kalten Krieges als zweitgrößter Waffenlieferant Griechenlands hinter den USA. Ende der 90er Jahre erreichte der deutsche Anteil an griechischen Rüstungsimporten 18%. … Griechenland war nach den USA und der Türkei einer der größten Abnehmer für deutsche Waffen.“ (6)
Zurück zu den aktuellen Bestellungen: Zählt man zu den bestellten Rafale-Kampfliegern noch die georderten Kampfhubschrauber, Raketen und Munition (auch für die deutschen U-Boote!) hinzu, dürfte das Gesamtvolumen der nun geplanten Geschäfte auf die 10 Mrd. Euro hinauslaufen, von denen immer wieder die Rede ist.
Mitsotakis selbst propagiert dieses riesige Rüstungsprogramm zur Modernisierung des griechischen Militärs mit Verweis auf die in der Krise zurückgestellte nationale Sicherheit: „In den letzten Jahren wurden der Verteidigungssektor nach einer Zeit hoher Kosten beschnitten und Rüstungsprogramme ignoriert. Nun ist es an der Zeit, Bedürfnisse und Möglichkeiten abzuwägen. Es ist an der Zeit, die Streitkräfte als ein Vermächtnis für die Sicherheit des Landes zu stärken. Aber auch als oberste Verpflichtung gegenüber den Griechen, die die Kosten tragen werden. Das ist der Preis für unseren Platz auf der Landkarte.“ (7)
In der Tat zeigt ein erster Blick auf die griechischen Staatsausgaben für Rüstung in den 10er Krisenjahren zunächst einen erkennbaren Rückgang:
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Der Schein trügt allerdings, weil bei den absoluten Zahlen der Rückgang des BIP Griechenlands in den Zeiten der Krise nicht berücksichtigt wird. Folgt man den Zahlen des Stockholmer SIPRI-Instituts bezogen auf den Anteil von Militärausgaben am BIP, so zeigt sich, dass zwar in den 2000er-Jahren dieser Anteil am BIP zunächst auf 3,2% anwächst, 2010 dann auf 2,7% abbricht und bis 2014 weiter leicht fällt – allerdings nur bis auf 2,3%. Danach steigen die Zahlen wieder und liegen bei der Regierungsübernahme durch Mitsotakis 2019 bei 2,6%. Zum Vergleich: In Deutschland lag der Anteil in all diesen Jahren zwischen 1,1% und 1,3%. (9) Einen massiven Einbruch an den Rüstungsausgaben hat es in Griechenland also auch in den 2010er Jahren und unter Tsipras nie gegeben.
Woher kommt nun aber das erforderliche Geld? Zum Teil dürften dazu Einnahmen verwendet zu werden, die das Land durch die überraschend erfolgreiche Ausgabe von 10-jährigen Staatsanleihen nach dem Wahlsieg der Nea Dimokratia auf dem Kapitalmarkt eingenommen hat. Diese insgesamt 16 Mrd. Euro sind aber letztlich neue Schulden. (10)
Klar ist so oder so, dass die Bevölkerung letztlich für Schulden und Rüstungsausgaben aufkommen muss. Für Mitsotakis ist das offensichtlich nicht so dramatisch. Zumindest äußerte er sich entsprechend kürzlich in seiner Parlamentsrede über die AWZ-Abkommen mit Italien und Ägypten: „Wir unternehmen als Regierung sehr wichtige Schritte, um das Schwarze Loch zu füllen, in dem sich unsere Verteidigungsindustrie leider befindet. Und wir kommen mit schnellen Schritten, Partnerschaften und Privatisierungen voran, unsere heimische Verteidigungsindustrie insgesamt zu stärken. Und ja, wo wir diese gezielten Investitionen tätigen müssen, die leider unsere geopolitische Position mit sich bringt, auch wenn dies einige kleine zusätzliche Opfer für das griechische Volk bedeutet, müssen wir alle gemeinsam dazu stehen, dass diese Opfer erbracht werden müssen, um unsere Streitkräfte zu stärken.“ (11)
Etwas weniger blumig, aber noch klarer und konkreter formuliert dies ein Kommentator der Kathimerini: „Das Land braucht dringend ein Programm, um seine Verteidigungsfähigkeiten zu verbessern, ohne Vermittler, aber auch ohne idiotische Zauderer, die uns Knüppel zwischen die Beine werfen. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem sogar die Verschiebung der sofortigen Zahlung rückwirkender Renten auf dem Tisch liegen sollte, egal wie ernst das Problem für einen Teil der Gesellschaft ist.“ (12)
Für Teile des Volkes wird es nicht bei finanziellen Opfern bleiben, denn es soll auch zu Umstrukturierungen im Militär kommen. Neben der zusätzlichen Schaffung von Spezialeinheiten in allen Waffengattungen und multifunktionalen „schnellen Eingreiftruppen“ soll beschlossen worden sein, auch die Wehrpflicht einheitlich auf 12 Monate zu verlängern. Bislang belief sie sich teilweise auf 9 Monate. Dadurch soll die Anzahl der aktiven Militärangehörigen um 15% erhöht werden. (13) Für diese Beschlüsse gibt es derzeit einen parteiübergreifenden Konsens. Nur die Kommunistische Partei KKE hat dagegen gestimmt, Mera25 hat sich enthalten.
All dies in einer Zeit, in der die Bevölkerung durch die ökonomischen Belastungen der Corona-Krise immer stärker belastet wird und die prekäre Arbeit immer größere Teile des griechischen Arbeitsmarktes kennzeichnet – aber dies wäre ein anderes Thema.
Quellen / Anmerkungen:
- Wir erinnern uns: Auf der Berliner Kongokonferenz 1884 führte dieses Selbstverständnis Otto von Bismarcks dazu, dass sich der belgische König Leopold I den Kongo als seinen Privatstaat sichern konnte.
- https://www.defenseworld.net/news/27763/Greece_to_Buy_10_Rafale_Jets__Receive_8_More_as____Donation____from_France
- https://thepressproject.gr/panigyrismoi-sti-gallia-gia-tis-ellinikes-agores-exoplismon/
- https://www.ostsee-zeitung.de/Nachrichten/Politik/Verwirrung-um-Griechenlands-Ruestungsplaene , https://www.griechenland-blog.gr/2019/10/vorvertrag-ueber-belharra-fregatten-fuer-griechenland/2144443/ https://greekcitytimes.com/2020/09/10/france-will-lend-greece-two-state-of-the-art-frigates-fr ench-media-report/ , https://esut.de/2020/07/meldungen/21786/taktieren-um-fregatten-fuer-die-griechische-marine/ , https://www.hurriyet.de/news_handelsblatt-griechenland-will-aufruesten-paris-profitiert-davon105759_143540296.html
- https://www.heise.de/tp/features/Griechische-Milliarden-fuer-deutsche-U-Boote-3386247.html , https://www.youtube.com/watch?v=p0M1FV96qIY&feature=youtu.be
- Christopher Steinmetz, Der griechische Honigtopf: Griechenland als Kunde der deutschen Rüstungsindustrie, in: Otfried Nassauer / Christopher Steinmetz (Hrsg.), Wie geschmiert, Deutsche Rüstungsexporte nach Griechenland und die Korruption, S. 27 – 34
http://www.bits.de/public/pdf/rr15-1.pdf - https://greekcitytimes.com/2020/09/26/greeces-purchase-of-french-made-fighter-jets-worth-e2-billion/
- https://tradingeconomics.com/greece/military-expenditure
- https://www.sipri.org/databases/milex
- https://www.nzz.ch/finanzen/griechische-anleihen-sind-wieder-heiss-begehrt-ld.1517218
- https://thepressproject.gr/plirofories-gia-agores-exoplistikon-disekatommyrion-me-pithanes-thysies-apo-ton-elliniko-lao/
- https://www.kathimerini.gr/opinion/1093921/kairos-na-sovareytoyme-2/
- https://thepressproject.gr/nea-domi-opla-15etias-sygchonefsi-katargisi-stratopedon-kai-sto-vathos-afxisi-thiteias-stis-enoples-dynameis/