Staatsanwaltschaft: Novartis hat Premierminister und andere hochrangige Politiker bestochen

die beschuldigten Politiker

Von Ralf Kliche.
Vor etwas mehr als einem Jahr nahmen wir hier die intensive Berichterstattung der Zeitung der Redakteure über Korruptionsvorwürfe gegenüber dem Pharmariesen Novartis auf und berichteten über die aufgenommenen Untersuchungen der Staatsanwaltschaft. Am vergangenen Wochenende nun, während in Athen viele gegen Zugeständnisse Griechenlands im Namensstreit mit Mazedonien protestierten – wenngleich nicht so viele, wie die Veranstalter glauben machen wollen – legte die Staatsanwaltschaft ihre Untersuchungsergebnisse zur Korruption durch Novartis vor. Seitdem hat die griechische Öffentlichkeit einen neuen Skandal und eine Auseinandersetzung auf der politischen Bühne, bei der die SYRIZA-Regierung deutlich mehr Unterstützung erhält als im Namensstreit.
Den Untersuchungen zufolge, die sich im Wesentlichen auf drei Kronzeugen stützen, deren Identität allerdings nicht veröffentlicht wurde (Gerüchte sprechen von hochrangigen Novartis-Managern), werden neben anderen Personen nicht weniger als 10 Politiker, davon zwei ehemalige Ministerpräsidenten beschuldigt, sich der Bestechung, der passiven Bestechung und der Untreue im Dienst schuldig gemacht zu haben. Dabei geht es um einen Betrag von 50 Mio. Euro, der im Zeitraum von 2005 bis 2015 gezahlt worden sein sollen. Mit dem Geld soll es Novartis gelungen sein, überhöhte Preise für Medikamente im griechischen Markt durchzusetzen und Vorteile bei der Zulassung von Medikamenten zu erreichen. Justizminister Kontonis spricht jedenfalls von zusätzlichen Belastungen für den Gesundheitshaushalt in Milliardenhöhe.

Es ist logisch, dass es sich bei den Beschuldigten vorrangig um Vertreter der damalig herrschenden „politischen Klasse“ von Nea Dimokratia und PASOK handelt, die teilweise auch heute noch maßgeblich im politischen Geschäft mitwirken. Im Einzelnen geht es um:

  • Antonis Samaras (Nea Dimokratia, Premierminister vom 20.06.2012 bis 26.01.2015)
  • Panagiotis Pikrammenos (parteilos, Übergangs-Premierminister vom 16.05.2012 bis 20.06.2012)
  • Dimitris Avramopoulos (Nea Dimokratia, Gesundheitsminister von 2006 bis 2009, seit 11/2014 EU-Kommissar für Inneres und Migration)
  • Andreas Loverdos (PASOK, Gesundheitsminister vom 7.9.2010 bis 17.5.2012)
  • Andreas Lykourentzos (Nea Dimokratia, Gesundheitsminister vom 21.06.2012 bis 25.06.2013)
  • Marios Salmas (Nea Dimokratia, Stellvertretender Gesundheitsminister vom 22.06.2012 bis 23.06.2013)
  • Adonis Georgiadis (Nea Dimokratia (2007 bis 2012 LAOS), Gesundheitsminister vom 25.06.2013 bis 09.06.2014, derzeit stellvertretender Parteivorsitzender der ND)
  • Giannis Stournaras (parteilos, Finanzminister vom 05.07.2012 bis zum 06.10.2014, seit 10.06.2014 Chef der griechischen Zentralbank)
  • Evangelos Venizelos (PASOK, Finanzminister vom 17.06.2011 bis 21.03.2012 und stellvertretender Premierminister vom 25.06.2013 bis 25.01.2015)

Giorgios Koutroumanis (PASOK, Minister für Arbeit und soziale Sicherheit von Juni 2011 bis Mai 2012).

Natürlich hat Novartis die Vorwürfe dementiert und erneut ihr ethisches Geschäftsgebaren wie auch ihre Rechtstreue betont. Und auch die beschuldigten Politiker wehren sich, indem sie der Regierung vorwerfen, die Justiz für eine politische Verleumdungskampagne zu instrumentalisieren.

Insbesondere von Venizelos und Stournaras, der wegen seiner aktuellen Position, seiner wiederholten Kritik an der Regierung besonders unter Beobachtung steht, gab es heftige Dementis. Stournaras erklärte, er habe nie direkt oder indirekt mit Novartis zu tun gehabt und Venizelos hält die Vorwürfe für lächerlich und alles für ein Manöver der politischen Ablenkung, er erwäge auch eine Klage gegen die Zeugen.

Dabei spielt Stournaras, betrachtet man die Höhe der vorgeworfenen Schmiergeldzahlungen, mit 1 Mio. Euro keine herausragende Rolle. Hier liegt der heutige EU-Kommissar Avramopoulos mit einem genannten Bestechungsbetrag von 40 Mio. Euro deutlich in Führung, wobei dieses Geld allerdings womöglich für weitere Personen bestimmt war.
Folgt man der vorliegenden Berichterstattung, war die Geldübergabe selbst zumindest teilweise klassisch organisiert. So soll Samaras sein Anteil in einem Koffer mit 500-Euro Scheinen direkt im Regierungssitz übergeben worden sein, und auch Stournaras und Georgiadis (2 Mio. Euro) hätten ihre Anteile in schwarzen Köfferchen übergeben bekommen.

Für die Regierung scheint ihr weiteres Umgehen mit den Vorwürfen noch nicht entschieden zu sein. Zunächst einmal wurden die Unterlagen auf die Kritik der ND-Opposition hin den Abgeordneten zugänglich gemacht. Jetzt soll aufgrund der Schwere der Vorwürfe eine kurzfristige Entscheidung getroffen werden. Danach ist es möglich, eine parlamentarische Voruntersuchung einzuleiten, einen außergewöhnlichen Untersuchungsausschuss einzusetzen oder die Angelegenheit an das Parlament weiterzuleiten – mit dem Hinweis allerdings, dass die Straftaten Untreue und Bestechung aus juristischer Perspektive inzwischen verjährt sind.

Hinsichtlich des Vorwurfs der Geldwäsche scheint die Verjährungsproblematik allerdings noch nicht gegeben zu sein. In dem Bericht von Wassilis Aswestopoulos findet sich eine detaillierte Beschreibung der Rechtslage (2).

Quellen:
(1) http://www.handelsblatt.com/politik/international/novartis-griechische-ex-regierungschefs-sollen-in-schmiergeld-affaere-verstrickt-sein/20933102-all.html
(2) https://www.heise.de/tp/features/Rettet-ein-Bestechungsskandal-Tsipras-vor-dem-Abstieg-3962182.html?seite=2
(3) http://www.efsyn.gr/arthro/zygizoyn-epiloges-gia-skandalo-megatonon
(4) http://www.efsyn.gr/arthro/oi-apokalypseis-tis-efsyn-gia-ti-novartis
(5) http://www.kathimerini.gr/947296/article/epikairothta/politikh/ypo8esh-novartis-dikografia-prostateyomenwn-martyrwn
(6) https://www.thepressproject.gr/article/123619/Kaine-Samara—Stournara—Adoni-oi-katatheseis-gia-ti-Novartis

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