„Privatisierung zur Tilgung der Schulden – Der Kampf gegen den Ausverkauf des Wassers in Thessaloniki“

John Malamatinas Neues Deutschland 22.3.2017
„Mit dem 3. Memorandum wurde Griechenland auch die Privatisierung der beiden größten Wasserwerke in Athen und Thessaloniki aufgezwungen, gegen den erklärten Willen der Bevölkerung und entgegen einer früheren Zusage seitens der EU-Kommission, die Wasserversorgung von den Privatisierungen auszunehmen. Gegner des Vorhabens in Thessaloniki, darunter auch die Belegschaft des Wasserbetriebs EYATH, befürchten aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern negative Folgen für die Bevölkerung. Wenn das Wasser dem Profitinteresse multinationaler Konzerne unterworfen wird, würde es deutlich teurer und gleichzeitig schlechter in der Qualität – ein klarer Verstoß gegen das von der UN deklarierte Menschenrecht auf Wasser.In Thessaloniki selbst organisiert sich seit Jahren eine soziale Bewegung, die über die Grenzen hinaus bekannt wurde. Die Arbeiter der EYATH organisierten zahlreiche Protestaktionen und beteiligten sich mit ihren Forderungen an Generalstreiks. Die »Bewegung 136« ruft sogar seit Jahren zur Eigenbeteiligung der Bürger mittels des Aufkaufs der Wasseruhren auf. Höhepunkt der Kampagne war die Organisierung eines Referendums am 18. Mai 2014 – die sogar von der deutschen Dienstleistungsgewerkschaft ver.di unterstützt wurde. Die damals konservative griechische Regierung versuchte, die Durchführung der Abstimmung zu verhindern, dann sie zu verbieten und schließlich drohte sie den Initiatoren sogar mit Haft. Dennoch beteiligten sich über 60 Prozent der Wahlberechtigten, von denen 98 Prozent gegen das Privatisierungsvorhaben stimmten. Über 1500 Freiwillige halfen bei der Durchführung.
Erst im vergangenen September beschloss nun das griechische Parlament ein Gesetzespaket, mit dem die Bedingungen der internationalen Institutionen für die Auszahlung der nächsten Kredittranche in Höhe von 2,8 Milliarden Euro erfüllt werden. Sehr umstritten ist dabei die Errichtung eines Privatisierungsfonds unter dem Namen »Griechische Gesellschaft für Beteiligungen und Vermögen«, dem sämtliche öffentliche Unternehmen für 99 Jahre übertragen werden. Die Geschäftspolitik dieser Betriebe soll nicht mehr vom griechischen Staat, sondern von einem Aufsichtsrat bestimmt werden, in den Griechenland drei und die EU-Kommission zwei Vertreter entsenden. Letztere haben ein Vetorecht, da für eine beschlussfähige Mehrheit vier Stimmen erforderlich sind.
Die linke Regierungspartei SYRIZA hatte sich im Wahlkampf immer gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums gestellt. Deswegen verwundert es nicht, dass es während der Verhandlungen im Juli 2015 auch Widerstand in den eigenen Reihen gegeben hat. Ministerpräsident Alexis Tsipras hatte sich zunächst gegen die Errichtung des Fonds eingesetzt. Letztlich erreichte er nur, dass die Gesellschaft ihren Sitz in Athen und nicht in Brüssel hat und dass lediglich die Hälfte der Einnahmen aus Privatisierungen zur Schuldentilgung eingesetzt wird, der Rest soll für Neuinvestitionen vorgesehen werden.
»So lange ich Minister bin und SYRIZA an der Regierung ist, wird keine Wassergesellschaft privatisiert«, erklärte Finanzminister Efklidis Tsakalotos zwar in einer Parlamentsdebatte. Doch was ist dieses Versprechen wert? Kostas Marioglou von der »Bewegung 136« und Ex-Vorsitzender der Betriebsgewerkschaft von EYATH bekräftige gegenüber »nd«: »Die Hoffnung, die Tsipras geweckt hat, ist erloschen.« Die Enttäuschung sei in Thessaloniki besonders groß, zumal der SYRIZA-Chef einst die Volksabstimmung unterstützt habe.
In Deutschland wird der Kampf gegen die Wasserprivatisierung von verschiedenen linken Gruppen unterstützt. Im Rahmen einer Kampagne des Netzwerks der Griechenlandsolidarität wurden bisher allein in Deutschland 98 000 Unterschriften zur Unterstützung der Bewegung in Thessaloniki gesammelt. Am 21. Juni soll die Liste in Brüssel an einen Vertreter von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker übergeben werden. Link zur Petition
Monika von zur Mühlen, Mitorganisatorin der Kampagne, bemerkt, dass das Ergebnis der bisherigen Privatisierungen desaströs ist: »Obwohl fast durchweg profitable Unternehmen ganz oder zum Teil verkauft wurden, wie der Hafen Piräus oder 14 Regionalflughäfen, betrug der Erlös bis Ende 2015 gerade einmal 3 Milliarden Euro, meilenweit entfernt von den angestrebten 50 Milliarden – und steht in krassem Missverhältnis zur Schuldenlast«.

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2 Antworten zu „Privatisierung zur Tilgung der Schulden – Der Kampf gegen den Ausverkauf des Wassers in Thessaloniki“

  1. kokkinos vrachos schreibt:

    »Es wird vom öffentlichen Gut zur Handelsware«
    In Griechenland wehrt sich die Bevölkerung gegen Auflagen der »Troika«, Wasserwerke zu privatisieren. Gespräch mit Monika von zur Mühlen
    (Junge Welt, 23.3.2017)
    https://www.jungewelt.de/artikel/307619.es-wird-vom-%C3%B6ffentlichen-gut-zur-handelsware.html

    „Es ist doch klar, dass gesellschaftliche Mehrheiten nicht durch Fernsehdebatten oder Wahlkämpfe zustande kommen“ (Interview mit E. Portaliou und M. Grigoraskou von griechischen Anti-Privatisierungs-Bündnissen)
    http://www.raulzelik.net/kritik-literatur-alltag-theorie/487-es-ist-doch-klar-dass-gesellschaftliche-mehrheiten-nicht-durch-fernsehdebatten-oder-wahlkaempfe-zustande-kommen-interview-mit-e-portaliou-und-m-grigoraskou-von-griechischen-anti-privatisierungs-buendnissen

    vg, kv

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  2. Johann Blaumann schreibt:

    Menschen, die fordern, dass Trinkwasserressourcen und/oder deren behördlich gesicherte Förderung und Aufbereitung privatisiert werden sollen, haben KEINEN Platz in irgendeiner Zivilisationen verdient.
    Vielleicht sollte man deren Trinkwasserversorgung mal aus den Fracking-geschädigten Kloaken in USA auffüllen ??
    WER gehört zu dieser EU-Kommission, die sowas fordert ?
    Können die Namen und deren Parteizugehörigkeiten vielleicht mal in großer Öffentlichkeit publik gemacht werden ? Sind ja sowieso öffentlich, oder ?

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