Massenhafte Unterstützung für Lieferservice-FahrerInnen

Plakat für Warnstreik, Kundgebung und Motorradkorso am 22.9.2021 in Athen

Wer Essen ausfährt, arbeitet unter äußerst prekären Umständen. Das ist in vielen Ländern der Fall. Gleichzeitig gehören die Lieferdienste zu den Gewinnern der Pandemie – ihre Gewinne sind enorm gestiegen. Aber die FahrerInnen wehren sich. Mitarbeiter des Lieferdienstes „Gorillas“ in Berlin kämpfen für bessere Arbeitsverhältnisse – z.Zt. vor Gericht.(1)
GriechInnen haben gerade vorgemacht, dass es einen neuen Weg gibt, der Kapitalmacht in dieser Branche Paroli zu bieten.

Der griechische Lieferdienst „efood“ hatte am 17. September 115 seiner FahrerInnen in einer E-Mail mitgeteilt, dass sie einen Wechsel von einer Anstellung zu einem Vertragsverhältnis als freie MitarbeiterInnen akzeptieren müssten. Andernfalls könnten sie nicht mehr bei efood arbeiten.
Es gelang den FahrerInnen aber, die KundInnen gegen die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen zu mobilisieren.

Sie machten den Erpressungsversuch durch den Lieferservice in sozialen Medien öffentlich. Daraufhin teilten unter dem hashtag #cancel_efood KundInnen mit, dass sie die App von efood deinstalliert hätten und diesen Lieferdienst nicht mehr in Anspruch nehmen würden. Die Bewertung von efood durch die KundInnen (bei der efood-App im Google-Playstore) erlitt einen Totalabsturz: Bei einer Skala von 5 bis 1 ging die Bewertung von 4,7 auf 1, d.h. auf den schlechtesten möglichen Wert – und das bei über 160.000 Bewertungen.
Als KundInnen versuchten, ihr Benutzerkonto zu löschen, verlangte efood eine Gebühr dafür. (2)

efood hat ca. 2700 Mitarbeiter, von denen die meisten als Leiharbeiter und mit 3-Monatsverträgen angestellt sind, die immer wieder verlängert werden.
Das „Komitee des Kampfes der Zusteller von Thessaloniki“, das sich seit 2017 für die FahrerInnen einsetzt, stellte diese Forderungen auf:
„Die Entlassungen unserer 115 Kollegen zurückzunehmen.
Nein zur Geiselnahme der Dreimonatsverträge!
Wir fordern, dass unsere Mitarbeiter nicht mehr der Todesstrafe (3) unterworfen werden.
Abschaffung der Unternehmensbewertung, die die Arbeit verschärft und zu täglichen Arbeitsunfällen führt.
Stellen Sie alle gesetzlich vorgeschriebenen Schutzkleidungsstücke zur Verfügung.
Unterbrechen Sie die Arbeit bei extremen Wetterbedingungen.
Wir werden nicht wie Sklaven leben! der Kampf geht weiter…“ (4)

Bereits heute, am 20.9.2021, streikten Hunderte efood-MitarbeiterInnen in Thessaloniki. (5)
U.a. die Gewerkschaft der Zweiradfahrer (ΣΒΕΟΔ) kündigte für Mittwoch, den 22.9. von 12 bis 16 Uhr einen Warnstreik und für 11 Uhr eine Kundgebung im Pedion tou Areos Park in Athen an, der sich ein Motorradkorso anschließen soll. (6)

Hier endet diese Geschichte noch nicht. Sie geht weiter mit der persönlichen Verstrickung von Kapital und bürgerlicher Politik – auch im Fall der Firma efood. Der geschäftsführender Direktor von efood ist ein gewisser Konstantinos Kyrkinis. Mit diesem hatte die Ehefrau von Kyriakos Mitsotakis. Mareva Grabowski- Mitsotakis mehrfache geschäftliche Verbindungen. Als die Zeitschrift documento dies veröffentlichte, drohte Grabowski-Mitsotakis dem Herausgeber der Zeitschrift mit einer Klage vor Gericht. Allerdings bestritt Grabowski-Mitsotakis nicht ihre Verbindungen zu Konstantinos Kyrkinis, sondern nur zu efood. (als ob Konstantinos Kyrkinis nei etwas mit efood zu tun gehabt hätte).(7)
Mareva Grabowski- Mitsotakis ist durch ihre Verstrickung in den „Paradise Papers“ Steueroasen Skandal und dadurch unangenehm aufgefallen, dass Firmen, zu den sie Verbindungen hat, besondere (8) Privilegien in Hellas erhalten. So reiste sie zu einer Zeit mit Führungskräften von Dior innerhalb von Griechenland, als wegen des sehr harten Lockdowns das Reisen verboten war.(9)

Titelseite der Zeitschrift Documento vom 19.9.2021

Anmerkungen

  1. https://www.tagesspiegel.de/berlin/express-lieferdienst-vor-dem-arbeitsgericht-gorillas-rider-klagen-gegen-befristete-arbeitsvertraege/27586028.html
  2. https://www.keeptalkinggreece.com/2021/09/17/e-food-delivery-appefood-customers-outrage-workers-rights/
  3. Im Durchschnitt kommt jeden Monat eine FahrerIn bei der Arbeit durch einen Unfall um. Quelle: https://www.efsyn.gr/oikonomia/ergasiaka/311089_efood-kataggelloyn-kai-klimakonoyn-oi-dianomeis-poylaei-trela-i
  4. https://thepressproject.gr/amesi-ananeosi-ton-symvaseon-kai-telos-stin-omiria-ton-triminon-apo-tin-efood-zitoun-oi-dianomeis/
  5. https://www.efsyn.gr/ellada/koinonia/311130_thessaloniki-stoys-dromoys-oi-ergazomenoi-tis-efood
  6. https://www.documentonews.gr/article/efood-me-stasi-ergasias-kai-motoporeia-tin-tetarti-apantoyn-oi-dianomeis/
  7. https://www.cretadrive.gr/news/politics/sta-machairia-tou-twitter-gia-to-efood
  8. https://www.cashkurs.com/meldungen/beitrag/paradise-papers-in-hellas-oppositionsfuehrer-mitsotakis-geraet-in-bedraengnis
  9. https://www.heise.de/tp/features/Griechenland-Redakteurin-zur-Kuendigung-genoetigt-4992682.html

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Arbeitsverhältnisse, Mitsotakis veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar