
Die gewerkschaftliche Solidaritätsgruppe „Gegen Spardiktate und Nationalismus“ hat zum Gedenken an den am 14.10.2020 verstorbenen Historiker Martin Seckendorf dessen Publikation „Hellas unterm Hakenkreuz“ veröffentlicht.
Broschüre „Hellas unterm Hakenkreuz“
Andreas Hesse über Martin Seckendorf:
————————————————————-
Leider lassen die Bedingungen der Corona-Pandemie es nicht zu, dass
wir uns in einem gebührenden Rahmen, im Kreis vieler Weggefährten,
von Martin Seckendorf verabschieden können. Wir werden dies nachholen,
sobald es die Umstände erlauben. So bleibt uns nur, ihn mit dem
Nachdruck dieser kleinen Broschüre zu ehren. Er hat sie im November
2015 redigiert und herausgegeben anlässlich einer Veranstaltung
im „Haus der Demokratie“ zur Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Griechenlands. Dort wurde auch die von ihm mit Lothar Eberhardt gestaltete Ausstellung „Hellas unterm Hakenkreuz“ gezeigt.
Ich traf Martin Anfang der 1990er Jahre das erste Mal persönlich. Er informierte
uns über die Besetzung Griechenlands durch die Wehrmacht
auf einem Treffen der Berliner Gruppe der „Arbeiterpolitik“. Ich war
beeindruckt von seinem umfangreichen Wissen und seinen Detailkenntnissen.
Damals musste Martin seinen Lebensunterhalt bei einem privaten Wachschutzunternehmen bestreiten. Bis 1990 hatte er in leitender Funktion
im Staatsarchiv der DDR gearbeitet. Mit der Einverleibung der DDR
durch die BRD wurde das Staatsarchiv in das Bundesarchiv überführt.
Martin wurde „abgewickelt“. Die neuen Machthaber, die sich als „Sieger
der Geschichte“ sahen, wollten und konnten seine Fachkenntnisse nicht
nutzen, wohl auch wegen seiner marxistischen Herangehensweise bei
der Auswertung historischer Dokumente.
Mein Kontakt zu Martin wurde leider erst nach 2012 enger. Anlass
waren die Besuche deutscher Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen
im Rahmen der Solidaritätsgruppe „Gegen Spardiktate und Nationalismus“
in Griechenland. Dort stießen wir immer wieder auf die Spuren
der Vergangenheit – auf die Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht
und auf den antifaschistischen Widerstand, der dort in der Arbeiterbewegung
auch heute politisch wachgehalten wird.
Zahlreiche Veranstaltungen in vielen deutschen Städten zu den aktuellen
Kämpfen gegen die Spardiktate aus Berlin und Brüssel und zur leidvollen
Geschichte unter deutscher Besatzung folgten in den kommenden
Jahren. Hier fielen Martins historische Forschungsergebnisse und seine
Standpunkte auf fruchtbaren Boden.
Stellvertretend für die vielen Aktivitäten sei hier die Ausstellung zum 75. Jahrestag der Invasion auf Kreta genannt: „Zeit des Schreckens“.
Martin war nicht nur an der Konzeption und Erstellung der Ausstellungstafeln
beteiligt. In zahlreichen Vorträgen, u.a. vor Schülerinnen
und Schülern, teilte er sein Wissen mit den Besucherinnen und Besuchern,
beantwortete geduldig Nachfragen oder Einwände und diskutierte
leidenschaftlich über die politischen Schlussfolgerungen, die wir
heute aus der Geschichte ziehen sollten.
„Gedenken heißt für uns, sich einzumischen – gegen stattfindende und
geplante Kriege und für die Rechte der Opfer“ (aus dem Einleitungstext
zur Ausstellung).
Zum Jahrewechsel 2019/2020 waren wir intensiv mit der Vorbereitung
einer Konferenz zum 75. Jahrestag der Befreiung beschäftigt. Sie sollte
sich mit Deutschlands unbeglichenen Schulden befassen, mit der
Weigerung der Bundesregierung Entschädigungs- und Reparationsanprüche
anzuerkennen und mit den Betroffenen endlich Verhandlungen
darüber aufzunehmen. Der Lockdown durchkreuzte unsere Planungen.
Kurz darauf erhielt Martin die Nachricht von seiner schweren
Krebserkrankung, der er am 14. Oktober 2020 erlag.
Je öfter wir uns trafen, je enger unsere Zusammenarbeit sich gestaltete,
desto mehr wurde aus dem Genossen zugleich der Freund Martin.
Enden will ich deshalb mit einer Aufforderung, mit der er mich öfters
scherzhaft begrüßte: „An die Arbeit!“
Andi (Andreas Hesse)
für die gewerkschaftliche Solidaritätsgruppe
„Gegen Spardiktate und Nationalismus“
Martin hat uns nicht nur „Hellas unterm Hakenkreuz“, sondern zahlreiche
weitere Publikationen seiner historischen Forschungen hinterlassen.
Auf sie können wir dankbar zurückgreifen.