Faschistische Parteien mit Doppelstruktur – einerseits pseudolegale Partei und andererseits gewalttätige Bande – gibt es auf der ganzen Welt. In Griechenland geschah es zum ersten Mal, dass eine solche Partei als kriminelle Vereinigung verurteilt wurde.
(Das unten verlinkte Interview fand vor der Verkündung des Strafmaßes statt. Zu den Strafen siehe)
Interview von Maria Oshana mit zwei Mitarbeiterinnen von „Golden Dawn Watch“, Freitag.de:
„Fünfeinhalb Jahre hat das Kollektiv Golden Dawn Watch den Prozess gegen die faschistische „Goldene Morgenröte“ begleitet. Ein Gespräch über die nun ergangenen Urteile.
Am 7. Oktober 2020 ging der mehr als fünf Jahre andauernde Prozess gegen die griechische Partei Goldene Morgenröte in die entscheidende Phase: die Urteilsverkündung. Am Morgen des vergangenen Mittwochs verkündete das Gericht Schuldsprüche in allen vier Fällen der Anklage. Unter anderem sprach es sieben führende Mitglieder der faschistischen Goldenen Morgenröte schuldig, eine kriminelle Organisation geleitet zu haben. Damit folgt das Gericht der Beweisführung der Zivilklage. Ioanna Meitani und Daphne Karagianni haben als Mitglieder von Golden Dawn Watch (GDW) den Prozess von Anfang an beobachtet und dokumentiert.
Maria Oshana: Ioanna, Daphne, bis zum Tag der Urteilsverkündung schien unklar, wie das Gericht entscheiden würde: zugunsten der Anklage oder dem Plädoyer der Staatsanwältin folgend. Habt ihr mit dem Urteil gerechnet?
Ioanna Meitani: Nach fünfeinhalb Jahren der Prozessbegleitung hatten wir von Golden Dawn Watch und alle anderen, die den Prozess verfolgt haben, schon eine Vorstellung von der Haltung der Richterinnen den Angeklagten gegenüber. Obwohl die Vorsitzende Richterin, Maria Lepenioti, während des ganzen Prozesses kein einziges Zeichen von Zuneigung, Abneigung, Missfallen, Langeweile oder irgendeiner anderen Emotion zeigte, war allen klar, dass sie die Anklageschrift sehr gründlich gelesen, sich sehr ausführlich mit den Fällen beschäftigt und ihre Aufgabe sehr ernst genommen hat. Für uns alle, die sich ernsthaft mit den vier Fällen und dem Beweismaterial beschäftigt hatten, war es von Anfang an klar, dass eine Verurteilung eigentlich die einzige Option war. In diesem Sinn war es für uns nicht völlig unklar, wie das Gericht entscheiden würde. Trotzdem, gerade weil wir an der Prozessbeobachtung so eng beteiligt waren und unsere Erwartungen an ein gerechtes Urteil sehr hoch waren, konnten wir in der Nacht vor der Urteilsverkündung kaum schlafen! Das hatte auch mit dem Plädoyer der Staatsanwältin im vergangenen Dezember, am 18.12.2019, zu tun, welches unsere Befürchtungen in seiner Extremität noch übertraf. Sie behauptete damals, alle Angriffe seien Einzelfälle, die Goldene Morgenröte sei keine kriminelle Organisation, ihre Anführer seien unschuldig und der einzig Schuldige sei der Mörder von Pavlos Fyssas. Das war ein schwieriger Moment im Prozess, die Öffentlichkeit war enttäuscht, die Familien der Opfer waren enttäuscht, und wir mussten uns selber wieder aufmuntern und gegen die neu eingepflanzte Unsicherheit kämpfen. Zum Glück haben die Richterinnen sich nicht an den Vorschlag der Staatsanwältin gehalten und stattdessen dieses historische Urteil gefällt. Darüber sind wir sehr froh, es ist ein Moment der Gerechtigkeit, nicht nur für uns, nicht nur für die antifaschistische Bewegung, sondern auch für die griechische Gesellschaft. Ein solches Urteil ist auch sehr wichtig für die Zukunft, nicht nur in Griechenland, sondern überall, wo Neonazis und Rechte auf der Anklagebank sitzen.“ weiterlesen