
Von Marianthi Anastasiadou, gwi-boell.de, 18. August 2020:
„Antifeministische, Anti-LGBTIQ+- und Anti-Gender-Mobilmachungskampagnen prägen in zahlreichen Ländern zunehmend die politische Landschaft. Dabei werden die Konzepte von Gender- und Gender+-Ansprüchen als Bedrohung für den Wohlstand nationaler Gemeinschaften und ihrer Mitglieder dämonisiert. Gleichzeitig bringen aufgrund der Pandemiekrise umgesetzte institutionelle Veränderungen Gruppen in Gefahr, die wegen ihrer geschlechtlichen Identitäten und Lebensweisen besonders verletzbar sind. Neben dem Rückschlag im Bereich Geschlechtergleichstellung, den auch die EU anerkennt, hat eine derartige Mobilmachung einen die Gesellschaft verändernden Charakter, wie David Paternotte feststellt, indem sie neue Formen von Autoritarismus und sozialer Ungerechtigkeit legitimiert. Der Fall Griechenland zeigt, dass diese Mobilmachungskampagnen auch aus älteren politischen Konflikten herrühren und, dass man sie als Teil größerer Kämpfe für ideologische, politische und soziale Hegemonie einordnen und betrachten sollte.
Das geschlechterpolitische Schlachtfeld
In den letzten Jahren haben sich in Griechenland neue Grabenkämpfe um das Thema Geschlechterpolitik entwickelt. Einerseits fordern Feminist*innen und LGBTIQ+ Bewegungen, die oftmals von den Linken unterstützt werden, mehr Rechte und Gerechtigkeit. Andererseits werden Rechte, die lange für selbstverständlich hingenommen wurden, wie das Recht auf Schwangerschaftsabbruch, plötzlich und überraschend in Frage gestellt. Gleichzeitig hat der politische Gegenschlag der Rechten, der sich im Wahlsieg der Partei Nea Dimokratia (Neue Demokratie) bei den Wahlen 2019 niederschlug, den bis dato vorherrschenden Optimismus, dass es nur noch Fortschritte auf dem geschlechterpolitischen Weg geben werde, entzaubert. Die Wahrheit ist, dass konservative, geschlechterbezogene Diskurse und Reaktionen, die vorwiegend von Seiten der orthodoxen Kirche und der Rechten kommen, niemals aus dem Land verschwunden sind. Gleichzeitig ist die Gleichstellung zwischen Frauen und Männern im Vergleich zum EU-Durchschnitt äußerst schwach ausgeprägt; in Bezug auf homophobe und transphobe öffentliche Meinungsäußerungen rangiert das Land hingegen an der Spitze.“ weiterlesen