
Von Ralf Kliche
Beim Lesen der Efimerida ton Syntakton (Ef.Syn) vom 18.08.2020 sticht dem deutschen Leser zunächst die Überschrift des folgenden Artikels ins Auge. Er verwendet den Begriff „Hass“ nicht im inzwischen hier üblichen, auf Affekte der Ablehnung und Distanzierung abzielenden, Sinne sondern lässt vermuten, dass der Verfasser der Frage nach Ursachen für „Hass“ nachgehen möchte. Die Lektüre des Kommentars bestätigt dann nicht nur die Sinnhaftigkeit dieser Frage – angesichts der deutschen Außenpolitik –, sondern erlaubt auch einen Blick darauf, wie diese Politik heute in Griechenland und anscheinend auch im Libanon wahrgenommen wird. Weil zudem in deutschen Medien zwar die Scheckübergabe beschrieben wird, aber weder die Reaktion der anwesenden Libanesen beschrieben noch ein Hauch von Kritik am Verhalten des deutschen Außenministers erkennbar wird, soll der Kommentar der deutschen Leserschaft zugänglich gemacht werden.
„Und dann wundern sie sich über den Hass, den sie verursachen …„
Von Babis Agrolampos, 18.08.2020, Ef.Syn
„Am letzten Donnerstag, einen Tag vor der außerordentlichen Telefonkonferenz des EU-Rates für auswärtige Angelegenheiten, wo der deutsche Außenminister die Forderungen von Sanktionen gegen die Türkei auf Eis legte, war Heiko Maas in Beirut. Laut der offiziellen Ankündigung des Ministeriums reiste er „acht Tage nach der schrecklichen Explosion, bei der mindestens 170 Menschen ums Leben kamen und Tausende verletzt wurden“, dort hin, „um den ersten Teil der deutschen Hilfe für den Libanon in Höhe von insgesamt 20 Millionen Euro zu überbringen“.
Sobald er seinen Fuß auf den Beiruter Flughafen „Hariri“ gesetzt hatte, übergab er den auf ihn wartenden Beamten einen Scheck über eine Million Euro für das Rote Kreuz. Der Scheck war für die Kameras ähnlich wie bei Spenden an wohltätige Organisationen vergrößert worden. Maas sagte, sein Land „sei bereit zu investieren, sobald eine gute Regierungsführung im Libanon und Garantien für Reformen gesichert“ seien. Wenn man die Gesichter der Anwesenden betrachtet, konnte man meinen, dass das Bild eingefroren ist, während der deutsche Minister seine Ausführungen fortsetzte. Aber bei der Wiederholung der Aufnahmen wird klar, dass das Bild nicht eingefroren ist. Die Leute erstarrten angesichts dessen, was sie sahen und hörten.
Wenn ein Außenminister und gerade der Deutschlands, das derzeit die EU-Präsidentschaft innehat, humanitäre Hilfe nicht von Handelsbeziehungen trennen kann, kann er sich nicht in die Situation der Menschen hineinversetzen, die dort ohne Wasser, Brot und Medizin sind. … Es muss viel passieren, dass dieser Minister zwischen richtig und falsch unterscheiden kann oder zwischen gerecht und ungerecht angesichts komplexer Situationen, in denen souveräne Rechte in See-Zonen auf dem Spiel stehen und wohlwollende Schecks nicht mehr ausreichen.
Am Tag nach dem Besuch von Maas im Libanon teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihrem wöchentlichen Podcast freudig mit, dass Deutschland dem verwundeten Libanon entschlossen helfe. Gerade angesichts des weltweiten Tages der humanitären Hilfe, der am morgigen 19. August gefeiert wird, versprach sie, „diese wichtige Arbeit in der ganzen Welt fortzusetzen.“ Nur wirkt diese Arbeit Deutschlands immer egoistischer, auch in jenen Teilen der Welt, die bisher keine negativen Erfahrungen damit gemacht haben.
Sieht man sich noch einmal die die Bilder des Besuchs von Macron in Beirut an, bei dem Menschen auf der ganzen Straße mit dem französischen Präsidenten sprechen wollten, besteht kein Zweifel daran, dass die Menschen im Libanon darauf warten, dass Europa ihnen zur Seite steht. Dieses Versprechen hätte auch Merkel als Ratspräsidentin der EU abgeben können – oder in ihrem Namen Heiko Maas.
Sie taten es nicht und so braucht man sich nicht zu fragen, warum Macrons Besuch immer noch diskutiert wird, aber dem Besuch von Maas und Merkels Versprechen nicht die geringste Bedeutung zugemessen wurden. Ganz einfach, weil sie diese nicht hatten. Sie, die Deutschen, können nicht über Handelsabkommen hinaus denken – und dies ist das Elend Europas in einer Zeit der Unsicherheit.“
Übersetzung: Ralf Kliche