
UPD: Korrektur von Niels Kadritzke:
Im Text über „Das Virus und die Flüchtlinge” (s.u.) muss ich eine Passage korrigieren. Einerseits bedaure ich meinen Fehler sehr und möchte mich dafür entschuldigen. Andererseits tue ich das in diesem Fall sehr gern. Denn die Berichtigung enthält eine gute Nachricht für die im März nach Griechenland gekommenen Flüchtlinge, deren Recht auf einen Asylantrag währen des ganzen Monats März „suspendiert“ war.
Weiter unten habe ich kritisiert, dass diese Flüchtlinge auch nach dem 1. April keine Möglichkeit haben sollen, einen Asylantrag zu stellen. Deshalb habe ich von einem „Menschenrechtsraub in 2000 Fällen“ gesprochen. Das ist offenbar falsch. Darauf hat mich eine geschätzte Kollegin aus Griechenland hingewiesen. Demnach hat Migrationsminister Koutsoumakos auf Fragen ausländischer Korrespondenten klargestellt, dass diese Migranten ihre Anträge nachträglich doch stellen können.
Mein Irrtum (und meine Empörung, die zu diesem Irrtum beigetragen hat) basierte auf dem Wortlaut der entsprechenden Rechtsverordnung und auf Berichten in der griechischen Presse, wonach die „März-Flüchtlinge“ in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen, ohne auch nur offiziell registriert zu werden. Wenn diese Absicht anfänglich bestanden haben sollte, so wurde sie von der griechischen Regierung aufgegeben, sei aus eigener Einsicht in die Rechtsverletzung, sei es auf Einspruch aus Brüssel.
Es ist also zu hoffen, dass die betroffene Gruppe von über 2000 Personen ihr Recht auf Überprüfung des Asylanspruchs verspätet ausüben kann. Bis es so weit ist, wird es allerdings noch dauern. Bis heute konnte keiner der Betroffenen einen Antrag stellen, weil die zuständigen Fachkräfte wegen der Corona-Gefahr die Lager derzeit nicht betreten dürfen. Nach Aussage von Regierungsvertretern kann dieser Zustand noch für unbestimmte Zeit andauern.
Besorgnis weckt auch eine weitere Unsicherheit: Noch bevor sich diese Lage ändert, könnte im griechischen Parlament ein Gesetzentwurf verabschiedet werden, der die Möglichkeit bzw. die Chancen von Asylanträgen auf griechischem Boden aufs engste eingrenzen würde. Nach einem Bericht in der EfSyn vom 2. April gibt es einen Ministerentwurf, der eine Bestimmung enthält, die den meisten der aus der Türkei kommenden Flüchtling das Recht auf einen Antrag absprechen würde. Die Bestimmung lautet: Wenn in Griechenland ankommende Flüchtlinge sich länger als zwei Monate in einem anderen Land (als ihrem Herkunftsland) aufgehalten haben, ohne dass sie dort auf Grund ihrer ethnischen Abstammung, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugungen strafrechtlich verfolgt wurden, soll ein Asylantrag als „unannehmbar“ gelten (die Formulierung lässt offen, ob der Antrag nicht gestellt werden kann oder automatisch abgelehnt ist).
Sollte eine solche oder ähnliche Formulierung zum Gesetz werden, würde sich Griechenland erneut einer Verletzung des Menschenrechts auf Asyl schuldig machen – wie mit dem Beschluss der Suspendierung für den Monat März. In dem Fall ist zu hoffen, dass Brüssel die Athener Regierung energischer an das geltende EU-Recht erinnern würde als Anfang März dieses Jahres.„
Beitrag von Niels Kadritzke, le monde diplomatique, 13. April 2020: „In diesem zweiten Teil meines Berichts über den Coronavirus und seine Folgen in Griechenland geht es ausschließlich um die Lage einer besonders gefährdeten Personengruppe: der Flüchtlinge und Migranten, die in den griechischen Lagern auf den Inseln wie auf dem Festland untergebracht sind. Rückblickend werde ich auch auf die Flüchtlingskrise von Anfang März eingehen, die sich vor allem an Grenze zur Türkei in Thrazien abgespielt und das ganze Land in Atem gehalten hat. Die wichtige ökonomische Dimension der Corona-Krise, also die Auswirkungen auf das griechische Wirtschaftsleben, werde ich in einem dritten Teil behandeln.
Dass ich mich ausführlicher als geplant mit der Situation der Flüchtlinge auf griechischem Boden beschäftige, hat zwei Gründe. Zum einen sollte ihre verzweifelte Lage – und die Verletzung ihrer Rechte – auch dann nicht vergessen werden, wenn alle Welt nur noch von der Corona-Bedrohung redet. Zum anderen sind diese Flüchtlinge und Migranten auch gegenüber der Corona-Bedrohung die schwächste Gruppe, die weder in Griechenland noch auf offizieller EU-Ebene viele Fürsprecher hat.
Vorweg will ich einige Informationen nachreichen, um drei Themenbereiche zu ergänzen und zu aktualisieren, die ich im ersten Teils dieses Corona-Berichts behandelt habe.“ weiterlesen