Von Ralf Kliche
Die griechische Presse wie auch zahlreiche Beiträge in den sozialen Medien kennen heute nur ein Thema: Am Samstag, 28. Dezember 2019 ist der große griechische Komponist Thanos Mikroutsikos mit 72 Jahren einem langen und schweren Krebsleiden erlegen.
Die zahlreichen Beileidsbekundungen reichen von Mitsotakis bis Theodorakis und zeigen, dass Mikroutsikos, obwohl er sein ganzes Leben ein „militanter linker Aktivist“ geblieben ist (wie die Kathimerini schreibt), über alle politischen Lager hinweg großes Ansehen genoss, sicher auch, weil er ein international hoch angesehenes Werk aus nahezu allen Sparten der Musik geschaffen hat. Theodorakis etwa schreibt in seinem persönlichen Nachruf: „Im schwierigen Kampf um die Schaffung und Verbreitung griechischer Lieder nimmt Thanos Mikroutsikos eine der Spitzenpositionen ein, sein Verlust schmerzt nicht nur seine Freunde, Mitarbeiter und Fans, sondern hinterlässt auch ein tiefes Trauma für das griechische Lied und allgemein für die kulturelle Entwicklung.“
1947 in Patras geboren und nach einem Studium der Musik und der Mathematik begann Thanos Mikroutsikos seine musikalische Karriere 1975 in der Zeit nach der Junta, der Metapolitefsi, gleich mit der ersten Platte „Politische Lieder“. Sie enthielt auf der einen Seite Übersetzungen und Neuvertonungen bekannter Lieder von Wolf Biermann und auf der anderen Seite Vertonungen von Gedichten von Nazim Hikmet, dem Begründer der modernen türkischen Lyrik. Dieser in Thessaloniki geborene Kommunist musste in seinem Leben mehrfach in die Sowjetunion fliehen, wo er auch 1963 starb. Erst 2009 erhielt der ausgebürgerte Hikmet die türkische Staatsbürgerschaft posthum zurück.
In Verlauf seines späteren Lebens wurde Mikroutsikos auch unmittelbar politisch aktiv. Nach dem Tod von Melina Mercouri folgte er ihr in einer Pasok-Regierung in den 90er Jahren auf den Posten des Kultusministers. Seine unzweifelhaft größte Bedeutung aber hat sein musikalisches Schaffen, das sowohl Lieder des Widerstands und des Bürgerkriegs umfasst (oft gesungen von Maria Dimitriadi), über zeitgenössische Rocksongs und Filmmusik bis zu Opern und Symphonien. Damit weist er Parallelen zu Mikis Theodorakis auf. Offensichtlich ist es der griechischen Kultur gelungen, Musikschaffende hervorzubringen, die sowohl über Gassenhauer tief in der Musik des Volkes Wurzeln geschlagen haben als auch wichtige Repräsentanten der E-Musik sind. Das westliche Nachkriegsdeutschland hat solche Künstler nicht hervorgebracht – Hanns Eisler bildet hier sicher eine Ausnahme in der deutschen Geschichte.
Ein Blick in Youtube fördert für Interessierte sehr schnell ein riesiges Repertoire der Werke von Mikroutsikos zutage.
Festzuhalten bleibt, dass Thanos Mikroutsikos bis zum Schluss seinen sozialistischen Überzeugungen treu geblieben ist. Für seine Beerdigung am Montag haben seine Hinterbliebenen darum gebeten, auf Kränze zu verzichten und dafür für die unbegleiteten Jugendlichen im Flüchtlingslager Moria zu spenden.