Black Friday – ein ganzes Jahr! Alles wird privatisiert

Von Ralf Kliche
Vor ein paar Tagen legte die griechische Regierung ihren Haushaltplan für 2018 vor. Sie gibt darin auch einen Ausblick, welches öffentliche Eigentum 2018 privatisiert werden soll.
Damit berichtet sie sehr viel offensiver über ihre Pläne als in den beiden vergangenen Jahren, als Privatisierungspläne erst auf Umwegen bekannt wurden oder nicht durchs Parlament gingen (1). ThePressProject (TPP) führt dies darauf zurück, dass die griechische Regierung darum bemüht sei, die Beziehungen zu den Kreditgebern nicht zu belasten, damit die Überprüfung, ob das Memorandum vollständig umgesetzt wurde, auch das gewünschte Ergebnis zeitigt und Griechenland so im Sommer 2018 das Programm offiziell verlassen kann. Daher wird auch erwartet, dass die Privatisierungen, die in dem Budgetpaket enthalten sind, zügig vorankommen. (2)

Im Einzelnen finden sich dort die folgende Aufstellung über erwartete Erlöse aus Privatisierungsmaßnahmen: (Beträge in Mio. Euro) (1)


Die erwarteten Verkaufserlöse sind teilweise niedrig angesetzt, so z.B. bei dem öffentlichen Gasversorger DEPA, der sich zu 65% im Besitz der griechischen Treuhand TAIPED befindet. Den erwarteten Einnahmen über 250 Mio. Euro stehen jährliche Gewinne von über 100 Mio. Euro in den vergangenen Jahren gegenüber.
Hinsichtlich der Privatisierung der Wassergesellschaften will die Regierung wohl den Forderungen des Gerichtsurteils von 2014 entsprechen und 51% der Aktienanteile in öffentlichem Besitz behalten. Davon bleibt die Frage der operativen Unternehmensführung allerdings unberührt, zumal der in öffentlichem Eigentum verbleibende Aktienanteil beim Superfonds liegt und somit unter Kontrolle der Regierung, die den Investoren keine Hürden in den Weg legen will.

Von besonderem Interesse dürfte der Fall des Hafens von Thessaloniki sein, dessen Veräußerung (zu 67%) an ein Konsortium aus drei Unternehmen Ende Juni Sommer dieses Jahres beschlossen worden war. Die Abwicklung verzögert sich ins nächste Jahr, weil die dafür erforderlichen Dokumente von den Käufern nicht fristgerecht vorgelegt wurden – sei es aus Konflikten innerhalb der Bietergemeinschaft um Einfluss, sei es aus „bürokratischen“ Gründen. (3) Sie verzögert sich aber auch – und das ist von grundsätzlichem Interesse – , weil die Beschäftigtenverteter vor der Korruptionsstaatsanwaltschaft Einspruch gegen den Verkauf eingelegt haben. Sie beschuldigen TAIPED, für Schäden am Unternehmenswert in zweistelliger Millionenhöhe verantwortlich zu sein.

Linksliberale Betrachter der griechischen Entwicklungen betonen immer wieder ihr Verständnis für Privatsierungen, weil die für die Unternehmen erforderlichen Investitionen angesichts leerer Kassen nicht durch die Unternehmen selbst gestemmt werden könnten. Die Vorgänge um den Hafen in Thessaloniki liefert dazu ein passendes Gegenbeispiel. Der Hafen ist schon immer ein profitables Unternehmen gewesen. Neben ausgeschütteten Gewinnen über mehr als 81 Mio. Euro im Zeitraum 2011-2015 erhielt der griechische Staat auch ca. 5,2 Mio. Euro Nutzungsentgelte – und es blieben der Hafengesellschaft noch immer Rücklagen für Investitionen von über 80 Mio. Euro. (4)
Vor diesem Hintergrund hatte die Unternehmensberatung Deloitte schon 2011 einen Investitionsplan über ca. 235 Mio. Euro bis 2024 aufgestellt, um die Wettbewerbsposition des Hafens in Europa zu erhalten. Der Investitionsbedarf sollte aus eigenen Rücklagen und einem günstigen Darlehen der Europäischen Investitionsbank gedeckt werden. Nachdem die Finanzierung gesichert und das Programm bereits angelaufen war, wurde es allerdings von der mittlerweile als Eigentümer auftretenden Treuhand wieder gestoppt. Zur Begründung zitiert TPP aus einem Schreiben, wonach „den Interessen des Aktionärs am besten gedient ist, wenn im Hinblick auf die geplante Privatisierung keine so bedeutenden Verpflichtungen eingegangen werden“. TAIPED versprach sich wohl höhere Privatisierungserlöse, wenn die Hafengesellschaft nicht investiert sondern der Investor deren liquide Mittel erwirbt. Dieser verordnete Investitionsstopp wird jetzt juristisch daraufhin untersucht, ob sich TAIPED der Korruption schuldig gemacht hat.
Unterdessen hat die Hafenbehörde 2016 einen neuen Investitionsplan vorgelegt, der angesichts weiter gestiegenen Bedarfs nun für den Zeitraum 2017-2021 Investitionen in Höhe von 309 Mio. Euro fordert – die sie nach eigenen Angaben sogar aus eigenen Kräften stemmen kann, ohne staatliche Zuschüsse und ohne Privatisierungsbedarf. Und in welcher Höhe hat nun das übernehmende Konsortium Investitionszusagen abgegeben? Sie haben sich verpflichtet, innerhalb der kommenden sieben Jahre – also bis 2024 – 180 Mio. Euro in den Hafen zu investieren! Wer da noch, auch aus „linker“ Perspektive, die Privatisierungen als alternativlos rechtfertigt, weil sie nicht vorhandenes Kapital für Investitionen ins Land lockt, hat einfach seine Hausaufgaben nicht gemacht – selbst wenn sich die finanzielle Lage sicher nicht in allen Unternehmen so positiv darstellt wie beim Hafen in Thessaloniki! (5)

Alternative Re-Kommunalisierung

Unterdessen hat schon zu Jahresmitte das Transnational Institute (TNI) mit Sitz in Amsterdam, das sich schon mehrfach kritisch mit Privatisierungsprozessen in Europa befasst hat, eine Studie unter dem Titel „Reclaiming Public Services – How cities and citizens are turning back privatisation“ vorgelegt. (6) Wie der Titel schon vermuten lässt, handelt es sich um eine Bestandsaufnahme eines mittlerweile weltweit beobachtbaren Prozesses, durch den privatisierte Unternehmen – vorrangig der Daseinsvorsorge – wieder in die öffentliche Hand zurückgeführt wurden. Die Verfasser ermittelten weltweit 835 Beispiele für die (Re)Kommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen seit 2000 – in 1600 Kommunen in 45 Ländern.
Die größte Gruppe darunter betraf den Energiesektor, sie macht knapp die Hälfte der Re-Kommunalisierungen aus. Das mit großem Abstand führende Land dabei ist gerade die BRD, die Metropole der Austeritätsprogramme (Beispiel: Hamburg). In der zweiten Gruppe, bei der Re-Kommunalisierung des Wassers führt hingegen Frankreich das Feld an, der Stammsitz von einigen der größten multinationalen Wasserunternehmen: Veolia und Suez und somit quasi der „Geburtsort“ für die Privatisierung von Wasser.

Zwei weitere Phänomene fallen auf:
Den größten Anstieg der Anzahl der Re-Kommunalsierungen von Energie und Wasser gab es innerhalb der Krisenjahre 2008 – 2010, 83% aller Re-Kommunalisierungen erfolgten im Zeitraum 2009 – 2017.
In 67% aller Fälle kam es zur Re-Kommunalisierung, weil Überlassungsverträge an private Betreiber ausgelaufen sind. Nur in Ausnahmefällen kam es zu aktiven Vertragskündigungen durch die öffentlichen Eigner, wohl weil damit Konflikte und Schadensersatzforderungen verbunden sind.

Drei Schlussfolgerungen lassen sich daraus für Griechenland ziehen:
Globale wirtschaftliche Probleme haben nicht zwingend überall zu Privatsierungen geführt, im Gegenteil.
Privatisierungen lösen Probleme nicht langfristig, sonst würden sich nicht so viele wieder davon abwenden.
Was einmal als öffentliches Eigentum verloren gegangen ist, ist auf lange Zeit verloren.

(1) https://www.thepressproject.gr/article/80287/APOKALUPsI-Auto-einai-to-Programma-Idiotikopoiiseon-sto-opoio-desmeutike-i-Ellada, https://www.thepressproject.gr/article/100524/Poleitai-DEI-kai-udor
(2) https://www.thepressproject.gr/article/120219/Mauri-Xronia-gia-ti-dimosia-periousia , aus diesem Text stammen die folgenden Informationen
(3) http://www.ekathimerini.com/222222/article/ekathimerini/business/consortium-delays-thessaloniki-port-sell-off
(4) https://www.thepressproject.gr/article/100345/Otan-i-idiotikopoiisi-blaptei-sobara-tis-ependuseis
(5) Immer wieder stellen sich Flash-Backs an die Entscheidungen der deutschen Treuhand in den Jahren nach 1989 ein, als die meisten ostdeutschen Betriebe als „nicht konkurrenzfähig“ veräußert oder geschlossen wurden.
(6) https://www.tni.org/en/publication/reclaiming-public-services, Zusammenfassung auf Deutsch: https://www.tni.org/files/publication-downloads/rps_de_web_17oct.pdf

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