
Von Christos Christou
Vor Jahren hat Umberto Eco behauptet, dass es keine Nachrichten im August geben würde. Die Ereignisse des letzten Monats in Afghanistan haben aber bewiesen, dass der große Semiotiker Unrecht hatte. Vielmehr können wir uns sogar sicher sein, dass die Geschehnisse der letzten Wochen und unsere Reaktionen darauf für eine sehr lange Periode prägend sein werden.
Der anfänglichen Verwunderung über die Geschwindigkeit, mit der die Taliban Kabul erreichten, folgten mehrere Analysen, die sich mit den Versäumnisse der amerikanischen und deutschen Regierung beschäftigten. Die Diskrepanz zwischen den Analysen des Pentagons und den eingetretenen Ereignissen belegt die Unwissenheit der Einsatzkräfte über ein Land, in dem sie seit fast 20 Jahren im Einsatz sind.
Diese Unwissenheit ist charakteristisch für die westliche Ignoranz und Arroganz und hat eine berechtigte Angst zur Folge. So wissen wir momentan nicht, wie es den Menschen vor Ort in den kommenden Monaten ergehen wird. Wir wissen nicht unter, welchen Bedingungen Frauen von jetzt an leben müssen. Wir können uns nicht sicher sein, ob die Leute, die in der Vergangenheit mit den ausländischen Einsatzkräften zusammengearbeitet haben, weiterhin friedlich leben bzw. überhaupt überleben werden Die Führung der Taliban hat in den letzten Tagen versucht, alle zu überzeugen, dass das neue Regime sanfter als seine Vorgängerversionen sein wird. Es herrscht aber ein großes Misstrauen unter einem weiten Teil der afghanischen Bevölkerung.
Neben dieser berechtigten Angst um die Situation vor Ort ist aber auch die Xenophobie zurückgekehrt. Es erscheint absurd, dass sich – angesichts dieser humanitären Krise – viele um eine neue Welle von „Flüchtlingsströmen nach Europa“ Sorgen machen. Noch absurder ist aber die Bereitschaft von Regierungen, die schon in der Vergangenheit mit fremdenfeindlichen Inhalten politischen Profit gemacht haben, auf diese Situation opportunistisch und inhuman zu reagieren. So haben mehrere führende Politiker*innen garantiert, dass „es etwas wie 2015 sich nicht wiederholen werde“, oder „dass das (jeweilige) Land keine weiteren Geflüchtete aufnimmt“.
Natürlich durfte bei dieser Wiederkehr der nationalistischen und fremdenfeindlichen Initiative die griechische Regierung nicht fehlen. So hat der griechische Premierminister behauptet, dass er die griechische Grenzen, „die auch europäisch“ seien, verteidigen wird. Es ist hierbei verwunderlich, was unter Verteidigung der Grenzen gemeint ist. Insbesondere wenn wir bedenken, dass wir es nicht mit einer Invasionsarmee sondern mit Menschen, die vor dem Terror im eigenen Land fliehen, zu tun haben. Auf jeden Fall sind die Zusicherungen der griechischen Regierung, „dass die internationalen Menschenrechte geachtet werden“, seit den vielen nachgewiesenen Fällen von Pushbacks der letzten Jahre unglaubwürdig.
Vielleicht ist die Nachricht von diesem August nicht die Wiederbelebung des Taliban-Regimes in Afghanistan sondern ganz einfach der Tod des Europas des Humanismus und der Aufklärung. Wahrscheinlich ist der zwischen der griechischen und türkischen Grenze am Ebros errichteter Zaun die geeignete Gedenkstätte für künftige Erinnerungszeremonien. Der griechische Verteidigungsminister hat schon mal mit eigenem Kraftaufwand die Stabilität des Zaunes überprüft.