
Von Jannis Andruliakis, avgi.gr 26.10.2020:
„Der tiefe Staat und die goldene Morgenröte
Die Entscheidung des dreiköpfigen Gerichtes, die Goldene Morgenröte als kriminelle Vereinigung zu verurteilen und ihre gesamte Führung ins Gefängnis zu schicken, beendet nicht nur die Straflosigkeit dieser speziellen Nazi-Bande. Es beendet auch die Straflosigkeit faschistischer Organisationen in Griechenland, die fast 100 Jahre andauerte, seit den berüchtigten drei „E“ (1) und der Brandstiftung der jüdischen Siedlung Campbell in Thessaloniki 1931.
Seit dieser Zeit hat die griechische Justiz sie alle freigesprochen und weiß gewaschen: Sowohl die Kollaborateure der Besatzungszeit und ihre Organisationen wie auch die parastaatlichen Gruppierungen des Staates nach dem Bürgerkrieg, die Folterer der Junta ebenso wie die bewaffneten Bewegungen, die aus diesen Kreisen hervorgegangen sind und die parastaatlichen Kommandos der nordepirotischen Befreiungsbewegung MAVI.
Sie alle verdankten ihre juristischen Siege nicht so sehr ihren sehr guten Anwälten. In erster Linie profitierten sie von den besonderen Beziehungen, die der tiefe griechische Staat immer zur Rechten und insbesondere zu ihren faschistischen und nationalsozialistischen Erscheinungsformen unterhielt. So war es auch bei der Goldenen Morgenröte während der 30 Jahre ihrer kriminellen Aktivitäten.
Es hat sich gezeigt, dass die goldene Morgenröte in die Sicherheitskräfte eingedrungen ist. Außerdem wurde ihre Verstrickungen mit den höchsten Ebenen der Samaras-Regierung aufgedeckt. Es gibt vereinzelte Erkenntnisse über ihre Kontakte zur Armee. Gleiches gilt für Verbindungen zu traditionellen Teilen des Kapitals. Über ihren Einfluss auf die Justiz haben wir innerhalb des Gerichtsverfahren einen Eindruck bekommen – zum Glück hat er bei diesem Prozess nicht gegriffen.
Der tiefe Staat verschwand nicht über Nacht, nur weil die Führung der Goldenen Morgenröte ins Gefängnis ging. Und solange er existiert, handeln seine Protagonisten im Kontext ihrer Exekutivfunktionen im Sinne eines erstarkenden Autoritarismus: In den Flüchtlingslagern, bei der Unterdrückung von Demonstrationen, bei der Verabschiedung von Gesetzen, bei Gerichtsentscheidungen.
Die Freude über die Bestrafung der Nazi-Schläger wird nur kurz sein, wenn die mächtigen rechtsextremen Kreise des tiefen Staates und ihre Verbindungen zum Kapital nicht ermittelt und neutralisiert werden. Und dies ist ein Kampf, den die antifaschistische Welt nun in der nächsten Periode aus einer besseren Position führen kann.“
(Übersetzung Ralf Kliche + Georg Brzoska)
Anmerkung:
(1) Die „Nationale Union Griechenlands“ (Εθνική Ένωσις ‘Ελλάς, auch als „die drei „E““ bekannt) existierte von 1927 bis 1944; es war eine faschistische antisemitische Organisation, die schon früh für antisemitische Pogrome in Thessaloniki verantwortlich war, während der deutschen Besatzung eng mit den Nazis zusammenarbeitete und sich besonders bei der Verfolgung von Juden hervortat.