
Von Ariane Bemmer, Der Tagesspiegel, 11.09.2020:
Flüchtlinge in Europa – Recht so, zerstört eure Camps!
Die Zustände im Lager Moria waren absolut sittenwidrig. Nun haben die Zusammengepferchten aufbegehrt. Und jetzt wirft man ihnen Regelbruch vor?
In der Debatte darum, was mit den Flüchtlingen aus dem abgebrannten Lager Moria auf Lesbos geschehen soll, passiert etwas Seltsames. Es wird darauf hingewiesen, dass das Feuer mutmaßlich extra gelegt wurde, dass unter den Flüchtlingen jetzt womöglich Brandstifter sind. Also Straftäter.
Die Frage lautet: Würde man nicht auch die Straftäter belohnen, wenn die nunmehr lagerlosen Flüchtlinge auf europäische Länder verteilt werden?
Warum das seltsam ist? Weil es von Menschen, die entgegen allen guten Sitten behandelt wurden – und das teilweise über Jahre – verlangt, dass sie sich dessen ungeachtet brav und gefügig verhalten. Und weil diejenigen, die das verlangen, diejenigen sind, die das Sittenwidrige der Behandlung teilweise über Jahre mitgetragen haben.
Griechenland – und damit auch die EU – hat in Kauf genommen, dass Moria komplett überbelegt war. Dass die sanitären Einrichtungen nicht reichten. Dass dort im Dreck gelebt wurde. Dass sich Banden gebildet haben, die nachts Einwohner terrorisierten. Dass dort durch nichts zu rechtfertigende Zustände herrschten. Dann kam noch das Coronavirus, und man hat das Lager abgeriegelt.“ weiterlesen