
Von Hansgeorg Hermann, Junge Welt, 10. Juli 2020:
„Künftige Pflichtlektüre
Das neue Werk »Krieg und Nachkrieg – Das schwierige deutsch-griechische Jahrhundert« des Historikers Hagen Fleischer schafft es, die Geschichte auch aus griechischer Perspektive zu beleuchten.
Schlaglichter auf ein Buch.
Ist Deutschland schlecht? Sind oder waren (west)deutsche Politiker der vergangenen 70 Jahre widerliche Zyniker – oder einfach nur Ignoranten? Fragen, die nach gegenwärtiger Lage der Dinge sowohl mit »ja« als auch mit »nein« zu beantworten wären. Glücklicherweise hat der deutsch-griechische Historiker Hagen Fleischer in dieser Situation eine Arbeit zum Verhältnis zwischen den beiden Staaten abgeliefert, die auf rund 350 Seiten zusammenfasst, was in der Tat wichtig ist – für beide Völker, für die Regierungen hier und dort – für Europa und sogar für dessen finanzkapitalistisches Epizentrum Brüssel. Eine Studie für jedermann, sicher, vielleicht sogar eine künftige Pflichtlektüre für Schüler, Studenten und ahnungslose Reporter.
Nur ein Kritikpunkt
Fleischers Buch bietet eine erstaunlich persönliche und gleichzeitig ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema. Es offenbart dabei auch einen fast schon verzweifelt zu nennenden Versuch, in der deutschen Griechenland-Politik der vergangenen Jahrzehnte irgendwo noch positive Elemente zu entdecken. Ein Vorhaben – dies vorweggenommen –, das in einem letzten Absatz voller Hoffnung auf Besserung gipfelt, und das Buch genau an dieser Stelle das einzige Mal scheitern lässt. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck, heißt es da, habe im März 2014 beim Staatsbesuch in Griechenland »als erster Spitzenrepräsentant Deutschlands um Verzeihung für die Besatzungsverbrechen« deutscher Truppen und ihrer verschiedenen Einheiten gebeten. Fleischer: »Die entscheidenden Sätze der Aufsehen erregenden Rede am Denkmal für die Opfer und seine vorgeschlagenen Initiativen setzen ermutigende Zeichen.« weiterlesen