Agrarsubventions-Sumpf im Untersuchungsausschuss beleuchtet – aber die Täter und Mitwisser auf höchster Ebene zeigen sich ungerührt

Foto aus dem Jahre 2019, das Mitsotakis in einer euphorischen Runde zusammen mit den ND-Lokalpolitikern und Strippenziehern des Betrugsskandals „Frappé“ und „Metzger“ zeigt (direkte Tischnachbarn rechts von M.)

Von Isabel Armbrust
Anhörungen im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu den Vorgängen in und um die Agrarbehörde OPEKEPE sorgen in Griechenland gerade für ein großes Medienecho. Doch obwohl dank einer Mail des ehemaligen OPEKEPE-Leiters Evangelos Simandrakos an die europäische Staatsanwaltschaft (EPPO) schon seit 1.07.2025 belegt ist, dass zumindest das Büro des Premierministers über die Betrügereien in der Agrarbehörde seit längerem informiert war, sitzt Mitsotakis noch immer fest im Sattel.
Gehen mussten dagegen schon im Sommer etwas rangniedrigere Politiker, deren Mitwirkung an dem OPEKEPE-Betrugsnetzwerk nach der Übermittlung von Abhörprotokollen durch die europäische Staatsanwaltschaft zu offensichtlich war. Das waren z.B. die beiden ehemaligen Landwirtschaftsminister Makis Voridis und Lefteris Avgenakis, belastet durch kumpelhafte Verweise durch ihre Mafiafreunde in den abgehörten Telefongespräche.i

Im September hat nun der schon im Juli auf Grundlage des Belastungsmaterials der EPPO eingerichtete Untersuchungsausschuss zum Agrarbetrug mit der Befragung von Schlüsselpersonen begonnen – in anderen EU-Ländern wäre es zu einer direkten Strafanzeige gegen die verdächtigen Ex- oder Noch-Minister gekommen. Täglich finden sich dazu in der griechischen Presse spannende Beiträge, wir empfehlen einige der von der „Tageszeitung der Redakteure“ efsyn veröffentlichten Artikel.ii

Es fehlen noch viele Puzzleteile

Besonders interessant scheint uns, wie z.B. die Hauptakteure Makis Voridis und Lefteris Avgenakis das Forum Untersuchungsausschuss nutzen, um sich weißzuwaschen und wie wiederum andere Beteiligte mehr Rätsel aufgeben als dass sie Licht ins Dunkel bringen. Eine solche Person scheint der von 2019-2020 die OPEKEPE leitende Grigoris Varras zu sein. Er hatte schon im Juli 2025 ausgesagt, er sei u.a. von Makis Voridis, von 2019-2021 Agrarminister, zum Rücktritt gedrängt worden, nachdem er verdächtige Suventionsanträge und fehlerhafte Ausschreibungen habe prüfen wollen. Am 8. Oktober wiederholte er die Vorwürfe im Untersuchungsausschuss. Er beschuldigte auch die Firmen Neuropublic und Gaia Epicheirein, die seit Jahren als technische Berater für OPEKEPE tätig waren, Einfluss auf seine Entlassung genommen zu haben.iii

Makis Voridis trat am 7. November vor den Ausschuss und konterte die Anschuldigungen von Grigorios Varras, dessen Rücktritt er 2020 verlangt hatte, u.a. damit, dass dieser keinerlei Beweise für seine Vorwürfe vorgelegt habe, weshalb diese „unbegründet“ seien.
Außerdem habe Varras selbst die „technische Lösung“ zur Zuweisung von Subventionen für noch nicht vollständig ausgewiesene Weideflächen praktiziert, von der er sich später distanzierte. Gemeint ist die administrative Zuweisung von förderfähigen öffentlichen Weideflächen, damit Landwirte ihre Zahlungsansprüche aktivieren konnten, auch wenn die Weidemanagementpläne noch nicht fertiggestellt waren. „Das sei widersprüchlich“.iv

Interessanterweise ist der ND-Politiker Varras ein alter Vertrauter von Mitsotakis und erhielt offensichtlich nach seiner Entlassung aus der Agrarbehörde einen Beraterposten am Amtssitz des Premierministers. Freunde des Varras-Gegners Makis Voridis sehen darin einen Hinweis, dass Personen, die dem Premierministers sehr nahe stehen, versuchen, Voridis aus dem Weg zu räumen und politisch zu neutralisieren.v
Dass Varras nach seiner Entlassung aus OPEKEPE direkt ins Premierministerbüro wechselte, wird von den griechischen Oppositionsparteien als Beleg für Mitsotakis’ Kenntnis und Nähe zum Subventions-Betrugssystem gewertet.

Belastet wird Mitsotakis zudem durch ein „Memorandum“, das der stellvertretende Minister beim Premierminister, Giorgos Mylonakis, Anfang Juni 2025 von Grigoris Varras erhielt und Ende Oktober endlich dem Untersuchungsausschuss zur Verfügung stellte.
Es handelt sich um ein informelles, 659-seitiges Dokument, das detailliert die Funktionsweise des Subventionssystems und die mutmaßlichen illegalen Praktiken beschreibt – durch Makis Voridis, Teile der OPEKEPE-Führung sowie die privaten IT-Dienstleister Neuropublic und Gaia Epicheirein.
Die Opposition warf Mylonakis vor, das Papier lange zurückgehalten zu haben, um das Premierministerbüro aus der direkten Verantwortung im OPEKEPE-Skandal herauszuhalten.vi

Die Mafiabrüder Frappé und Metzger steuern interessante Details bei

Anfang November waren auch zwei der „Sprecher“ in den von der europäischen Staatsanwaltschaft abgehörten und mitgeschnittenen OPEKEPE-Dialogen, die dort die Tarnnamen Frappé und Metzger trugen, zu einem Live-Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss geladen.
Der Frappé genannte Giorgos Xylouris erschien gar nicht erst, die Opposition vermutet, die Nea Dimokratia habe Giorgos Xylouris nicht in der parlamentarischen Untersuchung sehen wollen, um die politischen Verbindungen zum Premierminister und seinen Ministern zu verschleiern.vii

In den Abhörprotokollen vom Juni 2025 ist Giorgos Xylouris alias Frappé mit einem Telefonat verewigt, das er mit einem Regionaldirektor der OPEKEPE in Kreta geführt hatte. Diesem versicherte er darin, „dass Voridis (von 2019-2021 Agrarminister) sich an den Justizminister Floridis gewandt habe in dem Anliegen, die EU-Staatsanwältin loszuwerden“.viii


Der „Metzger“ genannte Andreas Stratakis dagegen erschien vor dem Ausschuss und präsentierte sich als die Unschuld vom Lande. Fakt ist, dass er Berater von Makis Voridis im Ministerium für ländliche Entwicklung war und ein enger Freund von Georgos Xylouris. „Meine Verantwortung betraf Genossenschaften und Genossenschaftsprogramm“, erklärte er dem Auschuss. „Darüber hinaus hatten wir nichts. Wir haben einfach durch eine Freundschaft mit dem Pfarrer Kontakt aufgenommen, und er hat sogar eines meiner Enkelkinder getauft. Das ist natürlich laut einigen, besonders für SYRIZA, ein schwerwiegendes Fehlverhalten, wenn Makis Voridis meinen Enkel tauft“, sagte er im selben Interview.ix

Interessant an Andreas Stratakis ist vielleicht auch ein biographisches Detail. Er berichtete dem Auschuss, dass er früher Mitglied der PASOK von Andreas Papandreou gewesen sei. „Mit dem Tod von Andreas Papandreou starb auch die PASOK für uns“, sagte er und merkte an, dass er seit 2019 Kyriakos Mitsotakis unterstützt habe.x

Sollte die Mitwirkung von ND-Politikern an dem Agrar-Betrugsnetzwerk auch das Ziel gehabt haben, der eigenen Partei einen politischen Vorteil zu verschaffen, wie das die Opposition in Griechenland vermutet, dann passt diese politischen Kehrtwendung von Andreas Stratakis gut ins Bild.
Immerhin wurde 2023 in Griechenland gewählt und in den zwei Jahren davor errreichten die illegalen Subventionsflüsse ihren Höhepunkt. Sie gingen zum Großteil nach Kreta, das als Hochburg von Syriza und PASOK galt.

Es ist wie bei den anderen großen Skandalen der letzten Jahre: Mitsotakis kontrolliert Staat und Gesellschaft strikt mit dem Ziel, an der Macht zu bleiben. Wenn aber ein Verbrechen oder eine Katastrophe zu Tage kommen, spielt er den Ahnungslosen. Es ist zu befürchten, dass er auch dieses Mal damit davon kommen wird.

Quellen und Anmerkungen

i Schon 2021 hatte die europäische Staatsanwaltschaft EPPO Hinweise auf einen unerklärbaren Anstieg der Auszahlungen durch die Behörde erhalten. Darauf hatte sie tausende von Aktien gewälzt und mit Hilfe der staatlichen griechischen Polizeibehörde El-As (Elliniki Astynomia) Gespräche von Mitarbeitern der Agrarbehörde abgehört und aufgezeichnet. Ende Juni 2025 übermittelte die EPPO dann dem griechischen Parlament ihr Aktenkonvolut inklusive der Transskripte der abgehörten Telefongespräche. Die waren immerhin so brisant, dass am 27.06. die beiden ehemaligen Landwirtschaftsminister Makis Voridis und Lefteris Avgenakis sowie einige stellvertretende Minister von ihren aktuellen Ämtern zurücktraten. Über die weitere Karriere von Makis Voridis hatten wir berichtet: https://griechenlandsoli.com/2025/08/05/warnhinweis-korrupter-ex-agrar-und-ex-innenminister-gehort-nicht-in-die-dlf-mediathek

ii Sehr aufschlussreich finden wir die Aussagen der ehemaligen Leiterin der Direktion für Direkthilfe der OPEKEPE, Frau Paraskevi Tycheropoulou vor dem Untersuchungsausschuss Ende Oktober, siehe efsyn vom 24.10.25
https://www.efsyn.gr/politiki/boyli/488692_leptomereies-sok-gia-galazio-kykloma
Über das Memorandum, das detailliert über die illegalen Praktiken informiert:
https://www.efsyn.gr/politiki/boyli/486882_o-mylonakis-diabibase-epimaho-ypomnima-poy-elabe-kai-apokalypse-ton-feromeno
Ein kleiner Olivenproduzent auf Kreta beschwert sich gegenüber der Zeitung efsyn und belegt, dass das betrügerische Netzwerk noch aktiv ist. http://www.efsyn.gr/politiki/482745_leitoyrgoyn-akomi-ta-kyklomata-toy-opekepe

iii https://en.parapolitika.gr/politics/70712/varras-attacks-voridis-at-opekepe-committee-hearing-dismissal-claims-and-ministers-response/ und https://www.efsyn.gr/politiki/kybernisi/490168_o-barras-diapseydei-tin-katathesi-boridi-stin-exetastiki-gia-ton-opekepe#goog_rewarded

iv https://en.parapolitika.gr/politics/90792/voridis-on-opekepe-case-my-targeting-lacks-factual-basis

v europost.gr/skandalo-opekepe-poios-einai-o-mystiriodis-kyrios-grigoris-varras-poy-katethese-stoicheia-gia-paranomes-pliromes-treis-fores-stin-eyropaiki-eisaggelia-giati-ton-apelyse-o-voridis-kai-pos-vr

vi https://www.efsyn.gr/politiki/boyli/486882_o-mylonakis-diabibase-epimaho-ypomnima-poy-elabe-kai-apokalypse-ton-feromeno

vii https://www.efsyn.gr/politiki/boyli/491629_afantos-o-frapes-anixeros-o-hasapis

viii www.politico.eu/article/greek-farm-fraud-agriculture-prosecution-ministers-opekepe

ix https://en.parapolitika.gr/politics/98732/opekepe-scandal-frappe-and-butcher-set-to-testify

xhttps://www.kathimerini.gr/politics/563931481/opekepe-stin-exetastiki-o-chasapis-oi-epidotiseis-o-frapes-kai-oi-aichmes-se-mparka

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