Ausreise oder Haft

Von Achim Rollhäuser
Seit dem 2. Sept. 2025 hat Griechenland ein neues Ausländergesetz. Es sieht erhebliche Verschärfungen des Aufenthaltsrechts für neu ankommende, aber auch für solche Migrant*innen vor, die schon lange in Griechenland leben.
Hier die wesentlichen Punkte:

  • Wer keine Aufenthaltserlaubnis (mehr) hat, muss das Land innerhalb von 14 Tagen verlassen. Wenn Flucht zu befürchten ist, wird das Tragen einer elektronischen Fußfessel angeordnet.
  • Die Abschiebung muss nicht in das Herkunftsland, sondern kann auch in andere „sichere Drittstaaten“ erfolgen.
  • Bei Abschiebehindernissen (persönlichen oder technischen, z. B. weil kein Land den Abzuschiebenden aufnimmt) gibt es eine Duldung von 6 Monaten.
  • Es ist ein Wiedereinreiseverbot für 10 bzw. 15 Jahre vorgesehen.
  • Rechtsmittel sind innerhalb von 5 Tagen einzulegen.
  • Die Abschiebehaft wird für 1 Jahr angeordnet und kann bis zu 2 Jahren verlängert werden.

Das Entscheidende:

  • Es werden Haftstrafen wegen „illegalen Aufenthalts“ von 2 bis 5 Jahren zzgl. Geldstrafe von 5.000 € verhängt.
  • Die Strafe kann weder zur Bewährung ausgesetzt noch in eine Geldstrafe umgewandelt werden.
  • Die Verurteilten werden in den normalen Gefängnissen inhaftiert.
  • Die (Rest-)Strafe wird zur Bewährung ausgesetzt, wenn die/der Verurteilte freiwillig ausreist. Die Aussetzung zur Bewährung erfolgt in dem Augenblick, wo der Verurteilte das Land verlässt.

Und schließlich:

  • Die gesetzliche Vorschrift, die die Möglichkeit der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären oder außergewöhnlichen Gründen vorsieht, ist aufgehoben worden.
  • Das Gesetz gilt auch für solche Migrant*innen, die schon lange in Griechenland leben und ihre Aufenthaltserlaubnis verlieren, z. B. wegen Arbeitslosigkeit oder krankheitsbedingter Unmöglichkeit des Arbeitens, wegen Verlust ihrer (angemessenen) Wohnung, wegen kleinerer Vergehen.

Zum Vergleich: Auch in Deutschland kann der „illegale Aufenthalt“ bestraft werden. Höchststrafe allerdings „nur“ 1 Jahr, die zumindest beim ersten Vergehen zur Bewährung ausgesetzt wird.

Dass die Regierung es ernst meint mit dem jetzt beschlossenen Gesetz, wird auch anhand eines Erlasses deutlich, der kürzlich vom Migrationsministerium bekanntgegeben wurde. Nicht nur, dass die Sprache geändert wird und es jetzt „illegale Migration“ statt „irregulärer Migration“ heißt, sondern der Erlass enthält die Anweisung an die Behörden, ab sofort die verschärften Maßnahmen anzuwenden.

So heißt es in der Kathimerini, einer der größten Tageszeitungen Griechenlands, vom 12.09.25 (s. Quellen):

„Gleichzeitig ergeht die Anweisung, alle in den Asylunterkünften Untergebrachten unverzüglich darüber zu informieren, dass sie im Falle der Ablehnung ihres Asylantrags mit einer Verwaltungshaft von bis zu 24 Monaten und einer Haftstrafe von zwei bis fünf Jahren rechnen müssen.

‚Der einzige Ausweg aus der Haft ist die freiwillige Rückkehr in das Herkunftsland‘, betonen die Verantwortlichen des Ministeriums für Migration und Asyl und fügen hinzu, dass das Rundschreiben darauf abzielt, das in der neuen Gesetzgebung vorgesehene Maßnahmennetz klar zu umreißen und eine direkte Zusammenarbeit mit der griechischen Polizei sicherzustellen. Aus diesem Grund ist vorgesehen, dass die Leiter der Unterbringungseinrichtungen nach jeder Ablehnung eines Asylantrags die zuständigen Behörden unverzüglich informieren müssen.“

Nun ist sicher nicht anzunehmen, dass Polizei und Justiz alle geschätzten 200.000 bis 500.000 illegalisierten Migrant*innen in Gefängnisse sperren werden. Das ist rein faktisch nicht möglich. Vielmehr hat das neue Gesetz zwei Ziele: Erstens wird die rechte Anhängerschaft der Regierung, sowohl innerhalb der Regierungspartei Neue Demokratie als auch außerhalb, zufriedengestellt. Zweitens werden die Migrant*innen im Land in Angst und Schrecken versetzt. Wenn du befürchten musst, nicht nur – wie bisher – ein paar Wochen oder Monate festgehalten zu werden, sondern für 2 bis 5 Jahre ins Gefängnis zu wandern, wirst du dir genau überlegen, ob du deinen Arbeitgeber, der dich nicht bezahlt, anzeigst. D. h. es ist beabsichtigt, die v. a. in der Landwirtschaft und der Gastronomie bereits bestehende Lohnsklaverei weiter auszuweiten.

Insoweit befindet sich dieses Gesetz in einer Linie mit dem bereits vor zwei Jahren erlassenen, aufgrund dessen Arbeitsuchende aus Bangladesh sich für 9 Monate, also als Saisonarbeiter, bewerben können. Danach müssen sie das Land für mindestens 3 Monate wieder verlassen. Das kann zehnmal in einem Zeitraum von 10 Jahren geschehen; dann ist für die/den Betreffende/n der Aufenthalt in Griechenland vorbei. Familiennachzug ist nicht erlaubt.

Die migrantischen Arbeitskräfte, mit Aufenthaltserlaubnis oder illegalisiert, sollen zu jedweden Bedingungen, je nachdem wie die Bedürfnisse des (großen und kleinen) Kapitals es erfordern, beschäftigt werden können. Wenn sie aufmucken, müssen sie befürchten, in den Knast zu wandern.

Es wird sich so ähnlich verhalten wie in Trumps USA: Es werden einige hundert Migrant*innen eingekerkert werden. Sie werden dann zwar nicht abgeschoben wie in den USA, aber notgedrungen „freiwillig“ Griechenland verlassen. Auf diese Weise werden die Hunderttausende, die schon mehr oder weniger lange im Land leben, eingeschüchtert und müssen unter noch übleren Bedingungen weiter hier arbeiten.

Quellen:

https://www.efsyn.gr/stiles/apopseis/474409_poinikopoiontas-tin-anthropini-yparxi-neo-nomoshedio-gia-ti-metanasteysi

https://www.telepolis.de/features/Griechenland-macht-Ernst-Asylrecht-wird-radikal-verschaerft-10448102.html

https://migration.gov.gr/se-dimosia-diavoyleysi-to-neo-nomoschedio-toy-ypoyrgeioy-metanasteysis-kai-asyloy-gia-tin-paranomi-metanasteysi/

https://apnews.com/article/migrants-greece-asylum-ankle-monitorsdeportations-88075c2ed95dfb6b20a34638bb9dc9c4

https://www.theguardian.com/world/2025/sep/03/greece-passes-draconian-legislation-with-prison-terms-for-rejected-asylum-seekers

https://www.kathimerini.gr/politics/563809492/metanasteytiko-egkyklios-pleyri-katargeitai-o-oros-paratypi-metanasteysi/

https://taz.de/Migration-nach-Griechenland/!6108155/

Dieser Beitrag wurde unter Achim Rollhäuser, Allgemein, Geflüchtete., Griechische Justiz, Justiz, Sklavenarbeiter veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Hinterlasse einen Kommentar