
Ende Dezember letzten Jahres war die Voruntersuchung der Staatsanwaltschaft des Seegerichts von Piräus abgeschlossen worden. Wir gaben unserem Bericht davon den Titel „Bauernopfer der Justiz“ (1), weil die Staatsanwaltschaft ausschließlich Besatzungsmitglieder des Küstenwachenbootes vor Gericht stellen wollte, d.h. den Kapitän und die Besatzungsmitglieder des PPLS 920 (Boot der griechischen Küstenwache) sowie die an Bord befindlichen Mitglieder des Sondereinsatzkommandos (KEA) der Küstenwache.
Das Küstenwachenboot PPLS 920, war aber nur in den letzten dreieinhalb Stunden vor dem Sinken des Geflüchtetenbootes in die Geschehnisse involviert gewesen. Dass in den
15 Stunden vor dem Sinken des Bootes nichts zur Rettung des mit 750 Menschen hoffnungslos überladenen und zu sinken drohenden Geflüchtetenbootes getan wurde, haben vor allem andere Angehörige der Küstenwache zu verantworten. 15 Stunden vor vor dem Höhepunkt des Verbrechens, dem Abschleppen, das zum Sinken des Bootes führte, war die griechische Küstenwache von der italienischen Küstenwache und von Frontex über das Geflüchtetenboot und seinen Zustand informiert worden. Da das Boot sich in der griechischen Search and Rescue Zone (Such- und Rettung, SAR) befand, war die griechische Küstenwache verpflichtet zu helfen.
Seit Dezember tauchten eine Reihe von Beweisen auf (u.a. Tonaufzeichnungen von Telefonaten von Mitarbeitern des Einsatzzentrums der Küstenwache (Unified Search and Rescue Coordination Center (E.K.S.E.D.) die die Vertuschungs-Narrative der Küstenwache widerlegten.
Nun vollzog die Staatsanwaltschaft des Seegerichts von Piräus eine steile Wende: Sie leitete eine Strafverfolgung von 17 Personen ein. Dazu gehören jetzt hochrangige Offiziere wie der zum Zeitpunkt des Vorfalls amtierende Chef der Küstenwache Giorgos Alexandrakis, und der Vorgesetzte des Einsatzzentrums (Unified Search and Rescue Coordination Center (E.K.S.E.D.) sowie zwei weitere leitende Angestellte des Einsatzzentrums, die in der verhängnisvollen Nacht im Dienst waren.
Dimitris Zotos, einer der Anwälte der Überlebenden und der Angehörigen sagte dazu gestern folgendes:
„Die Vertuschung des Verbrechens wurde durch die beharrlichen Aktionen der Solidaritätsbewegung für die Überlebenden von Pylos verhindert. Angefangen vom Prozess in Kalamata mit dem Freispruch der neun ägyptischen Überlebenden, die die Regierung für den Schiffbruch verantwortlich machen wollte, über die Solidaritätskonzerte und Demonstrationen vor dem Seegericht von Piräus bis hin zur gemeinsamen Aktion mit den Angehörigen der Tempi-Bewohner am 22. März und der Unterstützung der Gewerkschaften und Studentenverbände. Wir werden so lange weitermachen, bis alle Verantwortlichen vor das Seegericht gebracht werden, ohne jede Ausnahme, und zusammen mit den Ministern der Regierung ins Gefängnis gehen. Es ist ein langer Kampf, und wir stehen erst am Anfang. Wir kämpfen unermüdlich für Gerechtigkeit, an der Seite der Überlebenden und ihrer Familien in Pakistan, Syrien, Ägypten und Palästina.“ (2)
Es bleibt abzuwarten, ob die Verantwortlichen für den Tod von mehr als 600 Geflüchteten vor Pylos tatsächlich angemessen bestraft werden und ob die Leichen geborgen werden, wie es die Angehörigen verlangen.
Anmerkungen
(1) https://griechenlandsoli.com/2024/12/25/pylos-bauernopfer-der-justiz/
(2) https://www.efsyn.gr/ellada/dikaiomata/473416_dioxi-se-17-limenikoys-gia-baria-kakoyrgimata

