6 Monate danach, Unmengen an Beweisen aber keine Gerechtigkeit für Pylos

Am 16.12.2023 fand in Athen eine Kundgebung mit Zeugen, Rechtsanwälten, Aktivisten und Organistionsvertretern unter dem Motto „6 Monate, 600 ertränkte Geflüchtete…“ statt (s.o.)

Am 15.12.2023 führten Amnesty International and Human Rights Watch eine gemeinsame Veranstaltung in Athen durch (siehe Foto oben). Sie präsentierten eine ebenfalls gemeinsam verfasste Studie mit dem Titel „6 Months On, No Justice for Pylos Shipwreck“ (6 Monate danach, keine Gerechtigkeit für den Pylos Schiffsuntergang). (1)
Dies ist keineswegs die erste Studie, die erdrückendes Material liefert, das auf ein billigenes Inkaufnehmen des Sterbens von 600 Menschen, ja auf das Versenken des Schiffes hindeutet. Es gibt viele Beweissammlungen. Die Unabhängige Reportergruppe Solomon (2), die interdisziplinäre investigative Platform Forensis, the New York Times, Der Spiegel, El País, Lighthouse Reports, und die Washington Post (3) haben ähnliche Dokumentationen veröffentlicht.
Bereits im August wurde eine Studie der „open assembly against border violence Lesbos“ veröffentlicht. Vor wenigen Tagen kam eine deutschsprachige Übersetzung heraus. (4)
Sozusagen das Archiv der erdrückenden Beweise stellt die Plattform justice4pylos.org dar, die am 22.6.2023 von 70 Teilnehmer:innen eines Treffens in der Athener Anwaltskammer gegründet wurde. (5)

Und was tun Justiz und Kontrollbehörden?

Neun Überlebende, die derzeit verhaftet sind, müssen sich vor dem Strafgericht von Kalamata verantworten, unter anderem wegen Verursachung eines Schiffbruchs. Parallel dazu leitete das Marinegericht im Juni eine Untersuchung über die mögliche Verantwortung der Küstenwache ein, und im September reichten 40 Überlebende bei demselben Gericht eine Klage ein, in der sie die griechischen Behörden für den Schiffbruch verantwortlich machten. Es ist unklar, wie sich ein Urteil des einen Gerichts auf das andere auswirken könnte.

Im November leitete der griechische Ombudsmann eine Untersuchung über die Handlungen der Küstenwache ein und begründete dies mit deren Weigerung, eine interne disziplinarische Untersuchung durchzuführen.(6)
Der Europäische Bürgerbeauftragte leitete eine Untersuchung über die Rolle der EU-Grenzschutzagentur Frontex ein, deren Flugzeug das Schiff ursprünglich gesichtet hatte, während der Grundrechtsbeauftragte der Agentur Frontex seine eigene Untersuchung durchführt.

Wir werden sehen, ob irgendeine dieser Untersuchungen zu Gerechtigkeit führen wird.

Anmerkungen

(1) https://www.hrw.org/news/2023/12/13/greece-6-months-no-justice-pylos-shipwreck
(2) https://wearesolomon.com/mag/format/investigation/under-the-unwatchful-eye-of-the-authorities-deactivated-cameras-dying-in-the-darkest-depths-of-the-mediterranean/
(3) Link zur Studie von Forensis: https://counter-investigations.org/investigation/the-pylos-shipwreck/ – die Links u den Dokumentationen von New York Times, Der Spiegel, El País, Lighthouse Reports, und Washington Post finden sich hier: https://justice4pylos.org/2023/12/greece-6-months-on-no-justice-for-pylos-shipwreck-amnesty-international-and-human-rights-watch-full-report/
(4) https://borderviolencelesvos.noblogs.org/files/2023/08/Pylos_Final_Ge.pdf
(5) https://justice4pylos.org/
(6) https://griechenlandsoli.com/2023/11/10/ein-weiterer-behordenchef-wehrt-sich-gegen-den-autoritaren-staat/

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2 Responses to 6 Monate danach, Unmengen an Beweisen aber keine Gerechtigkeit für Pylos

  1. Avatar von kokkinos vrachos kokkinos vrachos sagt:

    Die open assembly against border violence in Lesvos hat eine Broschüre zu dem Massaker verfasst, die hoffentlich dazu beitragen kann, den Tod von ca. 600 Menschen nicht der Vergessenheit zu überlassen.

    Klicke, um auf Pylos_Final_Ge.pdf zuzugreifen

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