Verfolgt die Regierung die richtige Strategie gegen Brände?

25.07.2023, Griechenland, Rhodos

Gab es in diesem Jahr besonders viele und schlimme Brände?
Noch immer brennt es in Griechenland – heute am 3.8. besonders stark in Deskati in Nordgriechenland. In diesem Sommer brannten extrem viele Wald- und Buschflächen. Schon jetzt steht fest, dass 2023 ein besonders schlimmes Brandjahr war. Vom 1. Januar bis zum 31. Juli verbrannten 547.700 Hektar, das sind fünf Mal soviel wie im Durchschnitt in den Jahren 2006 bis 2022. Im Zeitraum dieser 17 Jahre wurde nur 2007 und 2021 eine größere Fläche verbrannt. (1)
Diese Brände hätten sich nicht so stark ausgebreitet, wenn Wälder, Buschflächen, landwirtschaftlich genutzte und Brachflächen von brennbarem Material (Pflanzenteilen usw.) gesäubert worden wären – und wenn es mehr Brandschneisen gäbe. Obwohl jedes Jahr gewarnt wird, das dies geschehen müsse, passiert es so gut wie nicht. Die Regierung setzt fast ausschließlich auf Brandbekämpfung – viel zu wenig auf Prävention.
Waren die Evakuierungen erfolgreich?
Das Credo der Mitsotakis-Regierung ist, dass bei Bränden in erster Linie Menschenleben gerettet werden soll. Häuser, Tiere, Wälder etc. seien nicht so wichtig. Dieses Credo wird immer wieder mit dem Brand in Mati bei Athen erklärt, in dem im Jahre 2018 an einem kleinen Ort 104 Menschen verbrannten. (2)
Mitsotakis lobt sich immer wieder selbst, wie erfolgreich die Evakuierungen seiner Regierung gewesen seien. Allerdings: Erstens gab es fünf Tote bei den Bränden und zweitens waren die Evakuierungen meist völlig planlos. Es ist dem Einsatz von Bürgern zu verdanken, dass fast alle Menschen früher oder später in Sicherheit waren – keineswegs der Organisation staatlicher Instanzen. (3)
Verfolgt die Regierung die richtige Strategie gegen Brände?

Die Vernachlässigung der Prävention wurde bereits erwähnt. Der größte Fehler der Vergangenheit, der sich bis heute massiv auswirkt, ist eine Entscheidung von 1998. Damals wurde von der PASOK-Regierung unter Kostas Simitis die Verantwortung für die Brandbekämpfung von der Forstverwaltung auf die Feuerwehr übertragen. Fast alle Spezialisten für die Waldbrandbekämpfung verloren dann im Laufe der nächsten Jahre ihre Arbeit. Infolge dessen fehlt das Know How für das Eindämmen der Brände in Wäldern.
„Auch diese Fehlentwicklung hat sich im Krisensommer 2021 als fatal erwiesen. Dabei kritisierten die Experten vor allem die zu starke Abhängigkeit von „fliegenden“ Löscheinheiten und das Fehlen einer „Infanterie“, also von kleinen, speziell ausgebildeten und vor allem ortskundigen Feuerwehrtrupps, die akute Brandherde am Boden bekämpfen.“ (4)
Der Verband griechischer Förster hat gerade wieder auf die falsche Entscheidung von 1998 hingewiesen und ein Umdenken gefordert. (5). Dieselbe Ansicht vertritt der Verband der öffentlichen Angestellten im Geotechnikbereich (6)

Im Jahre 2018 unter dem Eindruck der Brandkatastrophe von Mati ließ der damalige Ministerpräsident Tsipras eine Kommission mit fünf führenden griechischen Experten unter der Leitung durch den international geachteten deutschen Professor Goldammer einsetzen, die Vorschläge für eine Verbesserung der Brandbekämpfung in Griechenland erarbeitete. Im Januar 2019 schlug diese Kommission u.a. folgendes vor: die Prävention zu priorisieren, flächendeckend lokale Brandpläne zu erarbeiten, die Bekämpfung der Brände in Wäldern wieder in die Verantwortung der Forstbehörde zu übertragen. (7)
Mitsotakis, der 2019 an die Regierung kam, setzte die Vorschläge der Kommission nicht um.


Anmerkungen

(1) Quelle: dasarxeio.com/2023/08/01/127080/
(2) Dieser Brand trug erheblich zur Wahlniederlage von SYRIZA 2019 bei, weil es Mitsotakis gelang, der SYRIZA-Regierung die Hauptverantwortung für die verheerenden Auswirkungen des Brandes zuzuschieben.
(3) Siehe dazu auch den Artikel von Wassilis Aswestopoulos, er ist unten verlinkt.
(4) Niels Kadritzke am 7.10.2021: https://monde-diplomatique.de/shop_content.php?coID=%20100169 Dieser Artikel analysiert die Mängel der Brandbekämpfung sehr ausführlich.
(5) Der Panhellenische Verband der Förster und Beamten (PEDY) hat die Reorganisation und Rekrutierung von Förstern gefordert. Die staatlichen Förster bezeichnen die Bestimmungen des Gesetzes 2612, nach dem im Jahr 1998 die Verantwortung für die Brandbekämpfung an die Feuerwehr übertragen wurde, als gescheitert und fordern eine vollständige Überarbeitung. https://www.efsyn.gr/oikonomia/elliniki-oikonomia/399265_anadiorganosi-kai-proslipseis-zitoyn-oi-dasologoi (efsyn vom 31.7.2023)
(6) https://dasarxeio.com/2023/08/03/127181/
(7) Abschlussbericht der Kommission: https://gfmc.online/wp-content/uploads/FLFM-Greece-Committee-Report-07-February-2019.pdf

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Von Wassilis Aswestopoulos, telepolis 30. Juli 2023:
Klimawandel und Demokratie: Wie die Waldbrände in Griechenland den Polizeistaat befördern
Über 600 Brände auf Inseln und Festland. Doch viele der Feuer sind menschengemacht. Und die Regierung Mitsotakis geht auf fragwürdige Weise mit der Lage um – und feiert sich dafür.
Die verheerenden Waldbrände im Mittelmeerraum stehen im Zentrum der Diskussion um den Klimawandel. In Griechenland brennt es nicht nur auf der Ferieninsel vieler Europäer, Rhodos. Große Feuer wüten im Westen des Landes, auf Korfu, auf Euböa und rund um die mittelgriechische Stadt Volos. Zuvor war die Hauptstadt Athen von Bränden umgeben gewesen.“
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2 Responses to Verfolgt die Regierung die richtige Strategie gegen Brände?

  1. Avatar von kokkinos vrachos kokkinos vrachos sagt:

    Verheerende Waldbrände in GR Folge organisierter Brandstiftung für Profit.
    »Nicht einmal zehn Prozent der Brände sind aus irgendwelchen Nachlässigkeiten entstanden. Es handelt sich vielmehr um organisierte Brandstiftungen, die in Gegenden vollzogen werden, die von wirtschaftlichem Interesse sind und deren Nutzung daher geändert werden soll. Angezündet werden Wälder und Büsche immer wieder in der Landschaft Attika und auf der Insel Euböa«, die verkehrsgünstig nahe der Metropole lägen, »und auf den Inseln. Bereinigt wird die Natur dort für den Bau von Hotels, Windparks und Photovoltaikanlagen«.

    https://www.jungewelt.de/artikel/456089.krise-am-mittelmeer-landnahme-des-kapitals.html

    Viele Grüße aus Hamurg, kv

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  2. Avatar von kokkinos vrachos kokkinos vrachos sagt:

    Moin, die Realität ist auch, dass die Ausgaben für die Löhne der Feuerwehrleute in diesem Jahr um 7,5 Millionen Euro gesenkt wurden und dass 80 Prozent des Fuhrparks der Feuerwehr älter als zehn Jahre sind. Tausende Stellen sind nicht besetzt. Das wissen auch alle in Griechenland. Mitsotakis versucht davon abzulenken, in dem er dem Klimawandel die Schuld gibt.

    Statt in Feuerwehr/Katastrophenschutz, in das marode griechische Gesundheitssystem und medizinisches Pflegepersonal, Bildung und Nahverkehr zu investieren, steckt die konservative Regierungspartei Nea Dimokratia von Kyriakos Mitsotakis lieber Millionen in Polizei und Rüstung.

    Die Nea Dimokratia hat die Zahl der Feuerwehrleute kontinuierlich verringert – die Zahl der Polizisten exorbitant vergrößert.

    Die griechische Regierung gab aus:

    6,6 Milliarden für die NATO

    1,9 Milliarden für Rafale-Kriegsflugzeuge

    120 Millionen zur Unterstützung/Rettung der Fluggesellschaft AEGEAN

    30 Millionen für Polizisten in Universitäten.

    1,7 Millionen für den Brandschutz

    Viele Grüße aus Hamburg, kv

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