Golden Dawn Newsletter Juli 2023

Konstantinos Plevris während der Berufungsverhandlung, er ist der Vater von Thanos Plevris, der bis vor kurzem Gesundheitsminister war

Die Macher:innen der beiden äußerst sehenswerten Filme „Goldene Morgenröte: eine persönliche Angelegenheit“ und „Goldene Morgenröte: eine öffentliche Angelegenheit
Angelique Kourounis, Maxime Bitter und Thomas Iacoby filmen auch über den Berufungsprozess. Sie berichten in einem Newsletter u.a. über die letzten Gerichtstermine:

„Liebe Freunde und Freundinnen,, es ist schon eine geraume Weile her, seit wir euch zuletzt geschrieben haben. Aber, wie ihr vielleicht wisst, war in Griechenland in punkto Nachrichten die Hölle los. Neben dem Berufungsverfahren gegen die neonazistische Goldene Morgenröte, die am 7. Oktober 2020 als kriminelle Vereinigung verurteilt wurde, gab es das schreckliche Zugunglück von Tempi. Bei diesem Zugunglück starben 57 Menschen. Ein Tragödie, die die Bevölkerung schockierte und zu einer Reihe von Demonstrationen führte, die von echter Betroffenheit und Zorn getragen waren. Es war zu hoffen die Empörung anhalten würde, schließlich verpuffte der Unmut jedoch. Es folgte der Wahlkampf für die Parlamentswahlen im Mai und Juni, das Drama um das Schiffsunglück von Pylos mit mindestens 81 Toten und über 600 Vermissten, darunter nach Angaben der Überlebenden 100 Kinder, und die noch andauernden Nachforschungen zu diesem vorsätzlichen Verbrechen. Dann kamen die beiden Wahlgänge selbst, mit folgenden Wahlergebnisse – bei fast 48% Wahlenthaltung in einem Land mit Wahlpflicht:

Die bisherige konservative Partei (Neue Demokratie) erhielt 40,55 % der Stimmen und 158 Sitze. D.h. sie hat die absolute Mehrheit im Parlament. Und die neue Regierung hat erneut drei rechtsextreme Minister in Schlüsselpositionen. (Antonis Georgiadis, Arbeitsminister, Makis Voridis, Staatssekretär, Thanos Plevris, stellvertretender Sprecher der Regierungspartei)

Syriza, die „radikale Linke“, erhielt 17,84 % der Stimmen, das sind 48 Sitze.

Die sozialistische PASOK erhielt 11,85 % der Stimmen und somit 32 Sitze.

Die Kommunistische Partei erhielt 7,5 % der Stimmen, das heißt 20 Sitze.

Zu den rechtsextremen Parteien:

Die Partei «Die Spartaner» erhielten 4,64 % der Stimmen, somit 12 Sitze.

Die Partei «Griechische Lösung» kam auf 4,44 % der Stimmen, ebenfalls 12 Sitze.

Die Partei «Der Sieg» (pro-religiös) erhielt 3,71 % der Stimmen und kam auf 10 Sitze.

Die Alternative Linke «Welle der Freiheit» kam mit 3,17 % der Stimmen auf 8 Sitze.

Mittlerweile bewegt sich unser Arbeitsfeld zwischen der Niederlage der Linken und dem Rücktritt von Tsipras, dem ehemaligen linken Premierminister von 2015 bis 2019, und dem Schock über die drei rechtsextremen Parteien, die mit 34 Sitzen ins Parlament eingezogen sind. Unter diesen rechten Parteien ist eine, die direkt von Ilias Kasidiaris (einer der Entscheidungsträger und ehemaliger Sprecher der Neonazi-Partei Goldene Morgenröte) unterstützt wird. Dieser hat seine Wahlkampagne für „Die Spartaner“ aus seiner Zelle heraus organisiert. Nach den Wahlen vom 25. Juni stellten sich die Medien 24 Stunden lang die Frage, wie Ilias Kasidiaris von seiner Zelle aus den Wahlkampf der Partei „Die Spartaner“ organisieren konnte. Denn dieser Umstand bedeutete, dass er Zugang zum Internet hatte, um politische Sendungen zu machen. Sowie ein Mobiltelefon besaß, mit dem er

sogar für sein im Gefängnis verfasstes Buch Werbung machte. All dies impliziert natürlich eine starke Komplizenschaft eines Teils der Polizei, des Strafvollzugs und des Justizsystems. Diese plötzlich aufgeworfene Frage beschäftigte die Medien jedoch nicht mehr als 24 Stunden, danach waren sie bereits zu den Tagesangelegenheiten zurückgekehrt.

Zu unserem Arbeitsfeld kommen verschiedene laufende Prozessen gegen solidarische Aktivisten uns Asylbewerber, aber auch Polizisten, die in Vergewaltigungsfälle oder Prostitution verwickelt sind. Sowie verschiedene Prozessen im Zusammenhang mit den im Land rasant ansteigenden Frauenmorden. 

Im Bezug auf den Berufungsprozess der Goldenen Morgenröte:

Die letzte Anhörung vor der Sommerpause ist für den 17. Juli 2023 anberaumt.

Alles was die Angelegenheit des am 17. September 2013 ermordeten antifaschistischen Rapper Pavlos Fyssas anbelangt, ist abgeschlossen. Jetzt geht es an die Untersuchung und Gegenbefragung in der Angelegenheit des mörderischen Angriffs gegen die ägyptischen Fischereiarbeiter, von denen einer für den Rest seines Lebens behindert bleiben wird. Die Anhörungen finden in großen Abständen statt und bei diesem Tempo wird das Verfahren sicher wir noch mindestens drei Jahre brauchen. Das ist ein Problem, denn bis dahin wird ein Großteil der verhafteten Golden Morgenröte Angeklagten dank Strafnachlässen, den 18 Monaten Untersuchungshaft, die sie bereits abgesessen haben, und doppelt angerechnete Arbeitstage bald wieder auf freiem Fuß sein. Dies sagte auch Ilias Kasidiaris in einem Tweet, in dem er sich mit einem Foto für den Sieg der Partei „Die Spartaner“ beglückwünschte und in Szene setzte. Der Präsident der „Die Spartaner“ bedankte sich auch bei seiner ersten Pressekonferenz öffentlich bei Ilias Kasidiaris für dessen Hilfe. 

Magda Fyssa, die Mutter von Pavlos Fyssas, die an der Spitze des antifaschistischen Kampfes in Griechenland steht, protestierte und warnte, dass sie ihnen auf jeden Fall gegenüberstehen werde. Unnötig zu sagen, dass wir alle da sein müssen, um sie zu unterstützen. 

Kasidiaris wie auch Lagos beantragten ihre Freilassung bis zum Berufungsurteil, was ihnen zum zweiten Mal verweigert wurde. Plevris, der Anwalt des Parteigründers, wurde aus der Anwaltskammer gestrichen, weil er während des Berufungsverfahrens mehrmals den Hitlergruß gezeigt hatte. 

Von den 68 Angeklagten des erstinstanzlichen Prozesses wurden 57 verurteilt, 40 von ihnen inhaftiert. Heute befinden sich nur noch 25 der 40 in Haft. Die anderen wurden mit Maßnahmen zugunsten der Angeklagten freigelassen, und höchstwahrscheinlich werden auch alle anderen, die sich derzeit noch im Gefängnis befinden, vor dem Ende des Verfahrens, das voraussichtlich erst in drei Jahren abgeschlossen sein wird, freigelassen.

Die Zivilklage ist der Ansicht, dass dies die Bedeutung des Prozesses nicht mindert. Unabhängig davon ob die Strafen in ihrer Länge aufrecht erhalten, abgemindert, oder sogar verschärft werden. Entscheidend seien die Verurteilungen der Verbrechen der Goldenen Morgenröte an sich. Und was diese Verurteilungen als Botschaft für die griechische Gesellschaft (und nicht nur für diese allein) darstellt.

Angesichts des Ergebnisses der letzten Wahlen ist jedoch nichts weniger sicher. 

Das Berufungsverfahren gegen die Goldene Morgenröte begann am 15. Juni 2022 und läuft seit über einem Jahr. Die Zeugenaussagen zum Mord an Pavlos Fyssas sind fast abgeschlossen, ebenso wie die zum versuchten Mord an den ägyptischen Fischereiarbeitern. Der Prozess verläuft reibungslos, die Zeugen sagen aus, die Provokationen der Verteidiger sind nicht die, die wir aus dem Prozess in erster Instanz kennen. Insbesondere nachdem Plevris aus der Anwaltskammer gestrichen wurde. Es wurde nicht allzu sehr an die große Glocke gehängt, aber er wurde vom Vorstand der Anwaltskammer wegen seines provokativen Verhaltens und Nazi-Grüßen während des Prozesses gestrichen (Berufung). Der Prozess nimmt also seinen Lauf. Fairerweise muss man erwähnen, dass viele Angeklagte, u.a. Kasidiaris und Lagos, beantragt hatten, bis zum Berufungsurteil aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Dies wurde vom Gericht abgelehnt. Am 19. Dezember 2022 entschied ein Gericht zum zweiten Mal, sie nicht bis zum endgültigen Urteil freizulassen, sondern weiter in Haft zu behalten. 

Das Gericht wird sich ab Juni mit allen anderen Verbrechen der Goldenen Morgenröte befassen. Wie z.B. den Angriffen auf die Gewerkschafter der PAME usw.. Die große Wette ist natürlich, wie lange dieser Prozess dauern wird, unabhängig vom Ausgang des Verfahrens. 

Denn angesichts des Wahlergebnisses vom Juni 2023 ist eines sicher: Die Institutionen des Landes können sich nicht gegen diese Art von Bewegungen behaupten, die in Wirklichkeit nur darauf abzielen, die Demokratie zu zerstören.

Obwohl wir mit anderen Filmprojekten beschäftigt sind, über die wir euch bald unterrichten werden, wird unsere Kamera diesen Berufungsprozess verfolgen. 

Eine kurze Bilanz:

Die rechtsextremen Kräfte stellen die größte Partei in der Schweiz, Frankreich, Italien und in gewissem Maße auch in Ungarn und Polen.

Sie gewinnen Boden in Spanien, Griechenland, Norwegen, Schweden, den Niederlanden, Belgien und Deutschland.“

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