Die Volksführer „ohne Vermittlung“ in den USA, GB und Griechenland

„Direkte“ Anführer: Trump, Farage, Mitsotakis, Kasselakis und Konstantopoulou

Zur Zeit wird viel darüber geschrieben, wie sehr Donald Trump die Demokratie beschädigt oder sogar zerstört. Dass die Trumpsche Führer-Idee auch in Griechenland bereits seit einiger Zeit praktiziert wird, ist in Deutschland nicht bekannt. Siehe dazu den Beitrag des bekannten Journalisten Dimitris Psarras. Interessant für die deutschen Leser*innen ist auch, dass Zoi Konstantopoulou in einem völlig anderen Licht erscheint, als in einem vor kurzem veröffenlichten taz-Artikel.

Von Dimitris Psarras, x-efimerida.gr 29.4.2025:
Von „den Eingeführten“ zu den „ohne Vermittler“ auftretenden Parteichefs
Die „direkten“ Parteiführer und die Abschaffung der Parteien: von Donald Trump bis zu seinen griechischen Nachahmern

Vor vierzig Jahren, zur Zeit der ersten PASOK-Regierung unter Andreas Papandreou, gab es im (damals noch ausschließlich staatlichen) Fernsehen einen Werbespot mit dem Slogan „Auf Griechischem insistieren“, der jedoch als „Der Eingeführte“ in die Geschichte einging. Der Spot zielte darauf ab, für griechische Produkte zu werben, indem er einen fanatischen Käufer von importierten und teureren als einheimischen Konsumgütern verspottete und zeigte, wie er in der Arbeitslosigkeit landete. Der Erfolg der Werbung führte 1984 sogar zu einem Film mit dem Titel „Lalakis, der Importierte“, in dem Nikos Papanastasiou, der auch in der Werbung auftrat, die Hauptrolle spielte. An diesen Werbespot des „Vereins zur Förderung hellenischer Produkte“ erinnerten sich viele im Jahr 2012, als versucht wurde, den einfachen Bürgern die Schuld an der Wirtschaftskrise zu geben.

Wer ist der, der „ohne Vermittler“ auftritt?
Die gleichen „eingeführten“ und ausschließlich persönlichen Merkmale finden sich in der heutigen politischen Szene bei politischen Führern, die als ihr Hauptmerkmal angeben, „ohne Intermediäre“ zu sein. Aber so wie das „Importierte“ als moderne Lösung für den Konsum erscheint und in Wirklichkeit die Produktion eines Landes untergräbt, erscheint das „Direkte“ als die modernste Version des politischen Handelns zugunsten des Volkes und untergräbt in Wirklichkeit die Demokratie, indem es die Parteien marginalisiert und sie durch autoritäre Machtstrukturen ersetzt, die im Gegensatz zu den Interessen der Bevölkerung stehen.

Und das Wichtigste: Der typischste moderne Typus eines „ohne Vermittler“ handelnden Anführers ist heute Donald Trump, gefolgt von vielen Nachahmern, wie etwa seinem britischen Pendant Nigel Farage. Wir werden auf sie zurückkommen. Betrachten wir zunächst die einheimischen „Importierten“.

Es ist kein Geheimnis, dass in Griechenland in den letzten Jahren die Eigenschaft des „Anführers ohne Vermittler“ am stärksten von Stefanos Kasselakis vertreten wurde. Kasselakis hatte mit der Naivität, die ihn von Anfang an auszeichnete, als er aus noch unbekannten Gründen beschloss, sich von einem neoliberalen Reeder in den Chef einer linken politischen Partei zu verwandeln, geplant, die Parteistruktur von SYRIZA, die Beziehungen zur Linken unterhielt, loszuwerden. Und er benutzte so nachdrücklich den Begriff „ohne Vermittler“, um zu rechtfertigen, dass er als „Parteichef“ keine „Kader“, nicht einmal mehr noch existierende „Mitglieder“ braucht und eine „direkte“, „unvermittelte“ Beziehung zu jedem potenziellen Anhänger unterhält, indem er mit ihnen durch wenige und einfache Posts auf „X“ kommuniziert.

Kasselakis war von dieser „direkten“ Beziehung des politischen „Anführers“ zu den einzelnen Bürgern so überzeugt, dass er, als Kyriakos Mitsotakis im November 2023 „unangemeldet“ einen Supermarkt besuchte, „um eine direkte Kommunikation mit den Menschen zu führen“, von Kasselakis als „Nachahmer“ bezeichnet wurde (11.11.2023).

Ein paar Tage später antwortete der verärgerte Mitsotakis wie folgt:

„Ich bin seit zwanzig Jahren in der Politik, und seit zwanzig Jahren gehe ich zu den Bürgern, spreche, diskutiere, höre mir Kritik an, das ist nichts Neues – das sogenannte „Direkte“ – jetzt benutze ich einen Ausdruck, der von Kasselakis patentiert wurde, nicht von Kasselakis erfunden wurde. Wir machen diese Dinge“ (Interview mit Aris Portosalte, Sky Radio, 16.11.2023).

Es stimmt, dass Mitsotakis nicht Kasselakis kopiert hat. Als sein bisher einziger Biograph kann ich Ihnen versichern, dass auch er ein Prediger der „direkten“ Beziehung zur Gesellschaft war, sobald er Vorsitzender der Nea Dimokratia wurde. Keine zwei Monate nach der Wahl von Mitsotakis zum Vorsitzenden der Oppositionspartei erklärte der Pressesprecher der Nea Dimokratia, George Koumoutsakos, dass der neue Vorsitzende „direkten Kontakt mit der Gesellschaft“ haben werde (25.2.2016). Aber auch auf dem 13. Kongress der Nea Dimokratia, unmittelbar nach dem Wahlsieg der Partei, erklärte der Sekretär des Politischen Komitees, Giorgos Stergios, dass „unser Präsident Kyriakos Mitsotakis eine direkte Beziehung und Kommunikation mit großen Teilen des griechischen Volkes aufgebaut hat“ (30.11.2019).

Die dritte politische Figur, die für ihre unvermittelte Beziehung zu den Bürgern wirbt, ist natürlich Zoi Konstantopoulou. Unmittelbar nach der Gründung ihrer eigenen Partei „Kurs der Freiheit“ erklärte sie, dass sich „Kurs der Freiheit“ in erster Linie an die Gesellschaft und das Volk richtet, mit der Gesellschaft und dem Volk möchte sie eine direkte Beziehung des Engagements, der Verbindung und der Kommunikation haben“ (Interview in der Zeitung „Nea Egnatia“ aus Kavala, 14.6.2016).

In einem Artikel in Kathimerini gibt die Assistenzprofessorin Lambrini Rori ihre eigene Interpretation des Phänomens:
„“Kurs der Freiheit“ erhebt den Anspruch, eine Partei einer Volksbewegung zu werden. Aus diesem Grund identifiziert sie sich mit dem Volk, repräsentiert den Protest, beschwört und versucht eine direkte Beziehung zwischen ihrem Anführer und den Bürgern über zwei Hauptkanäle herzustellen. Der erste ist die „kämpferische soziale Anwaltstätigkeit“, der die Vorsitzende nach eigenen Angaben die Hälfte ihres Tages widmet. Der zweite ist das Parlament, wo sie einen „Kampf mit dem System“ führe.“
(„Die Grenzen der Ein-Thema- und Ein-Personen-Anti-Partei“ 23.3.2025)

Diese interessanten Bemerkungen führen natürlich zu der Frage: Wie ist es möglich, dass dieselbe „direkte Beziehung“ zwischen Parteichef und Bürgern, die Konstantopoulou und Kasselakis als „Populisten“ von der Linken her zu behaupten versuchen, von einem ganz anderen politischen Anführer wie Mitsotakis, der sich selbst als „antipopulistisch“ bezeichnet und natürlich der Rechten angehört, behauptet werden kann?

„Ohne Zwischeninstanzen“

Auf diese Frage gibt es eine einfache Antwort: Donald Trump. Die Merkmale eines politischen Führers, der eine „unvermittelte“ Beziehung zu den Bürgern beansprucht, d. h. der die „Vermittler“ (Parteien, Gewerkschaften usw.) ausschaltet, wurden erstmals vom derzeitigen US-Präsidenten vor seiner ersten Amtszeit entwickelt. Nicht ich sage das, auch seine derzeitigen Gegner nicht. Fiona Hill, die in der ersten Amtszeit von Präsident Donald Trump Sonderberaterin und Direktorin für europäische und russische Beziehungen im Nationalen Sicherheitsrat der USA war, schreibt in ihrer Studie ausführlich darüber. Hill erklärt, wie Trump wie auch Farage und Putin auf eine neue Form des politischen Populismus zurückgriffen und die „unvermittelte“ Beziehung zwischen Führer und Mitglied erfanden, indem sie „Politik durch Tweets“ machten und Parteistrukturen beiseite ließen:

„Im Jahr 2016 haben sowohl Farage als auch Trump entdeckt, dass sie über die Medien direkte Verbindungen zu den Wählern aufbauen können. Trump war besonders geschickt darin, Twitter und andere Social-Media-Plattformen als direktes (und stetig wiederholtes) Mittel zur Kommunikation mit den Wählern zu nutzen. Als Präsident erfand er die „Politik per Tweet“ und umging damit offizielle Pressemitteilungen und andere formale Formen der präsidialen Kommunikation. Seine Tweets vermieden schwierige Formulierungen und enthielten oft nicht einmal nachprüfbare Fakten. Stattdessen enthielten sie pompöse Aussagen und Erklärungen, die in Großbuchstaben und mit vielen Ausrufezeichen geschrieben waren.“
(Fiona Hill, „There is nothing for you here. Finding Opportunity in the Twenty-First Century“, New York 2021, pp. 174-175).

Kein Apologet des politischen Werdegangs von Kyriakos Mitsotakis sollte versuchen, die Ernsthaftigkeit der Arbeit von Frau Hill in Frage zu stellen. Noch heute ist auf der offiziellen Website der Neuen Demokratie zu lesen, dass die einzige Person, die er während seines Besuchs in den USA im Jahr 2018 im Weißen Haus traf, „Special Advisor to the President of the United States and Director of European and Russian Relations of the US National Security Council, Ms. Fiona Hill“ war (Meetings of the President of New Democracy Kyriakos Mitsotakis with officials in Washington DC, 13.3.2018).

Natürlich gibt es viele wissenschaftliche Studien über das Phänomen Trump und die Rolle der „direkten“ Beziehung des politischen Führers zur Basis der Gesellschaft (zum Beispiel Osman Şahin, Richard Johnson & Umut Korkut, „Policy-making by tweets: discursive governance, populism, and Trump Presidency“, Contemporary Politics, 2021).

Der neue Typus des „Populismus“

Das Interessante an dieser neuen Form des politischen Populismus, der eine Beziehung „ohne Vermittler“ zur Gesellschaft proklamiert, ist, dass im Gegensatz zum klassischen Populismus, der auf der Verabschiedung einer Reihe von wirklich volksfreundlichen Maßnahmen beruhte, diese neue Form nur Unterstützung für „unsere Leute“ verspricht und die Vernichtung aller „Feinde“ im In- und Ausland proklamiert. Die „bezahlten, tatsächlich aber nicht arbeitenden Beamten“ müssen entlassen, das öffentliche Bildungswesen abgeschafft, die Migranten entfernt und Mauern um das Land errichtet werden.

Um’s klar zu sagen: Die Fantasie einer Beziehung „ohne Vermittler“ zwischen Führer und Gefolgschaft passt nur zu autoritären Regimen. Die „Partei“, die „Organisation“, ist gerade deshalb sinnvoll, damit das Kollektiv der Mitglieder demokratisch funktioniert und das „Ein-Mann-Prinzip“ vermieden wird. Ich habe in meinen früheren Schriften in der „Efsyn.“, aber auch in „Ohne Zeitung“ ausführlich dargelegt, dass dieses vermeintlich „direkte“ Verhältnis in Wirklichkeit auf absolute Abschaffung der innerparteilichen Demokratie hinausläuft, die für die Linke ein konstitutiver Wert ist. Mit anderen Worten: Das Verhältnis „ohne Vermittler“ zwischen Mitgliedern und Parteiführern hat nicht nur mit der Linken, sondern auch mit Demokratie im Allgemeinen nichts zu tun und löst auf alle Fälle jede Vorstellung von Kollektivität und demokratischer Organisation auf.

Die Tatsache, dass in Griechenland dem größten Teil des politischen Spektrums die sogenannte „Wahl des Parteiführers durch die Basis“ aufgedrückt wurde, war der erste Schritt in diesem Prozess. Um zu erkennen, wie schädlich diese Logik für die Parteien der Linken und der linken Mitte ist, muss man sich nur ansehen, wo die Parteien, die sich in unserem Land für diese Logik entschieden haben, gelandet sind. Man denke nur an den politischen Selbstmord von SYRIZA im Jahr 2023 mit der Wahl von Kasselakis, aber auch an die Schwierigkeiten, mit denen die PASOK heute konfrontiert ist, die von allen politischen Kommentatoren für die „hervorragende“ Wahl von Nikos Androulakis durch die „Basis“ im Jahr 2024 gelobt wurde. Nur sechs Monate sind vergangen, und die Krise der Partei scheint schon wieder vor der Tür zu stehen.

Im Gegensatz dazu ist für die Parteien der Rechten und der extremen Rechten die Wahl eines Führers durch die Basis ein schmerzloser oder sogar ermächtigender Prozess. Der Grund dafür ist natürlich, dass sich die Rechte in unserem Land auf eine andere „Partei“ stützt, nämlich auf das, was wir gewöhnlich als „tiefen Staat“ bezeichnen. Die extreme Rechte rühmt sich des so genannten „Prinzip des Führers“ (mit einem Augenzwinkern zum Hitlerschen „Führerprinzip“), aber auch die konservative Rechte propagiert, dass sie den kompetentesten „Führer“ hat, und setzt dabei auch auf die Tatsache, dass unsere Verfassung auf einem „ministerpräsidentenzentrierten“ Modell beruht.

Wer erinnert sich noch daran, wie Kyriakos Mitsotakis zum Vorsitzenden der Neuen Demokratie wurde? Am Vorabend der parteiinternen Wahlen, nach der Niederlage der Neuen Demokratie gegen SYRIZA bei den zweiten Wahlen 2015, präsentierte sich Kyriakos Mitsotakis als Außenseiter mit den folgenden Worten:

„Wir bitten die Bürger um eine kleine, aber sehr wichtige Investition. Für drei Euro nehmen sie die Zukunft der Partei in ihre Hände. […] Wenn sie nicht in Massen zur Wahl gehen, werden die internen Mechanismen über die Zukunft der Partei entscheiden und nichts wird sich ändern. […] Ich will die „vorübergehend bei uns verweilenden Menschen“ in der Neuen Demokratie, denn nur so werden wir sie erweitern„ („Real FM“, 21.11.2015).

Jetzt wollen alle die „Vorübergehenden“. Und die Demokratie kann warten.“

(Übersetzung: Achim Rollhäuser)

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