Tempi: Unfallbehörde übt vernichtende Kritik am griechischen Staat und an der EU

Bild: Yorgos KonstantinouImagistan

AthensLive Wire 293:
Bericht bestätigt die Anschuldigungen gegen den Staat im Zusammenhang mit dem Eisenbahnunfall von Tempi
Nur einen Tag vor der geplanten Kundgebung für Gerechtigkeit in Tempi hat die Nationale Organisation für die Untersuchung von Unfällen in der Luftfahrt und im Eisenbahnverkehr und für Verkehrssicherheit (EODASAAM) ihren Bericht über den Fall veröffentlicht, der ein Jahr lang untersucht wurde.
Der Bericht stellt eine schwere Kritik dss gesamten griechischen Eisenbahnsystems dar und weist dem Verkehrsministerium, den aufeinander folgenden Regierungen, der OSE (Infrastrukturunternehmen der Eisenbahn), der Hellenic Train (Betreibergesellschaft der Eisenbahn), der Regulierungsbehörde für Eisenbahnen (RAS) und der Eisenbahnagentur der Europäischen Union große Verantwortung zu. Der Bericht bestätigt auch, dass nicht identifizierter Treibstoff an der Kollision beteiligt war.

Im Einzelnen heißt es in dem Bericht:

1. Die Nichtumsetzung des Vertrags 717, der die Einführung von Fernverwaltungs- und Sicherheitssystemen für die Eisenbahn vorsah, ist ein entscheidender Grund für die Haftung. Der Vertrag 717 hätte bis 2016 umgesetzt werden müssen (Unser Kommentar: Damit werden auch SYRIZA und frühere Regierungen zur Rechenschaft gezogen). Die Umsetzung von 717 hätte die Tragödie verhindern können. „Diejenigen, die die Umsetzung des Vertrags 717 verzögert haben, haben zum Tod der Opfer beigetragen“, sagte der Leiter von EODASAAM auf der Pressekonferenz.

    2. Der Zustand der Bahn in der Unfallnacht war das Ergebnis zweier Faktoren: a) der Entscheidung des griechischen Staates, die Bahn im Stich zu lassen, indem er nicht in ihre Sicherheit investierte, und b) der Memoranden, die Sparmaßnahmen erzwangen, die zu einem Personalmangel bei der Bahn führten und damit ihre Sicherheit untergruben. „Im Durchschnitt gibt es in der EU zwei Beschäftigte pro Streckenkilometer. In Griechenland sind es 0,5. In Europa werden jährlich durchschnittlich 170.000 Euro pro Streckenkilometer investiert. In Griechenland wurden im Jahr 2020 nur 20.000 Euro ausgegeben“, so die Experten.

    3. Aufgrund von Personalkürzungen und -ersetzungen sind die Bahnhofsvorsteher nicht geschult und das Personal unerfahren. Es gab auch keinen Überwachungsmechanismus, um ihre Leistung zu überprüfen und für ihre kontinuierliche Weiterbildung zu sorgen. Gleichzeitig waren die Mitarbeiter gezwungen, bis zur Erschöpfung zu arbeiten, was menschliches Versagen sehr wahrscheinlich machte: „Das Personal, das kritische Aufgaben erfüllte, arbeitete bis an die Grenzen der Belastbarkeit und hatte nur zwei freie Tage pro Monat.

    4.Die Eisenbahnregulierungsbehörde hat ihre Aufgabe im Wesentlichen nicht erfüllt, da „sie sich bei ihren Untersuchungen nicht auf Schlüsselfaktoren zur Verbesserung der Eisenbahn konzentriert hat, sondern nur auf die Nichteinhaltung von Vorschriften“.

    5.Die meisten Fahrgäste kamen bei dem Zusammenstoß ums Leben. Die OSE hätte die Fahrgäste jedoch durch eine Verringerung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schützen können. „Die Höchstgeschwindigkeit war auf 160 km/h festgelegt, unabhängig davon, ob es eine Signalisierung gab oder nicht. In Deutschland gilt in Abschnitten ohne Signalisierung eine Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h.“ (Unser Kommentar: Bei einem niedrigeren Tempolimit hätten die in Griechenland eingesetzten – aus anderen Ländern stammenden – Schrottzüge nie als „Silberpfeile“ beworben werden können, und die Preise hätten nicht erhöht werden können).

    6. Der Feuerball wurde nicht durch Silikonöle oder andere Materialien aus den Zügen und ihrer „offiziellen“ Ladung verursacht, und „es wird vermutet, dass bei dem Unfall ein unbekannter Kraftstoff verwendet wurde.“ Der Ausschuss schätzt, dass 5-7 Passagiere durch den Feuerball ums Leben gekommen sind. (Unser Kommentar: Es sei daran erinnert, dass der ursprüngliche Bericht der Feuerwehr und der Bericht der vom Magistrat bestellten Sachverständigen ursprünglich davon ausgingen, dass die Silikonöle im Motor die Explosion verursachten, eine Auffassung, die die Sachverständigen der Familien der Opfer seit einiger Zeit widerlegen).

    7. Das „Versäumnis, die Unfallstelle zu sichern“, wie es der Leiter von EODASAAM formulierte, und die Tatsache, dass EODASAAM vor dem Unfall noch nicht gegründet worden war, führten zum Verlust wichtiger Beweise. Er sagte, man müsse sich bei den Familien der Opfer entschuldigen, „deren Arbeit für uns wertvoll war“. Der Bericht verweist auf den Verlust von Informationen, die für das Verständnis der Ursachen des Unfalls wichtig sind, da „keine ordnungsgemäße Umsetzung eines operativen Perimeters oder eine genaue Kartierung des Untersuchungsgebiets erfolgte.“ Dadurch wurde auch die Identifizierung des unbekannten Treibstoffs verhindert.

    [ab hier die Originalversion]
    During the press conference, the so-called landfilling of the accident site and the missing evidence was attributed to the responsible authorities‘ lack of knowledge and preparation in handling such an incident.

    In short, the report is a slap in the face for the government. Apart from this crucial last part, they did not conclude that the landfilling was intentional. They attributed it to a lack of experience, despite evidence that has repeatedly surfaced indicating a cover-up attempt. 

    The government used this last part to argue there is no cover-up, as government spokesman Marinakis claimed.  

    A reminder: In the case of Tempi, the government violated Law 5014, which they passed in January 2023. According to this law, the railway accident investigation must be conducted exclusively by the specialised body EOEDASAM. EOEDASAM however was set up only after the accident. As a result, the investigation was left to traffic accident experts, who failed to prevent the cleanup of the site and the loss of evidence.“

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