
Von Kostas Zafeiropoulos, efsyn 11.09.24:
„Die Verzweiflung eines Palästinensers nach der Tötung seiner Familie
Sayed, Palästina, Gaza, die ganze Familie kaputt
Ein Mann randalierte 5 Stunden lang vom Balkon im 6. Stock und drohte mit Selbstmord im Zentrum Athens. ● Das Drama hinter der tragischen Figur eines psychisch kranken, verletzlichen Flüchtlings.
Die Nachricht machte gestern früh in den Medien die Runde mit der Schlagzeile „Palästinenser randaliert und droht, ein Wohnhaus im Zentrum von Athen, Acharnon-Straße, in die Luft zu sprengen“. Stundenlang verhandelten Polizeibeamte mit ihm und versuchten, ihn zu beruhigen, während in den sozialen Medien rechtsextreme Stimmen laut wurden, die forderten, den „illegalen Einwanderer“, den „Junkie“, den „Psychopathen“ durch Scharfschützen zu töten. Sein Name ist – vermutlich – Sayed und einige wollten, dass er im September 2024 ein weiterer Zak wird.(1)
Der verzweifelte 28-jährige Palästinenser mit offensichtlichen psychischen Problemen wurde fünf Stunden lang auf dem Balkon des sechsten Stocks eines alten Wohnhauses in der Acharnon-Straße in der Nähe des Vathi-Platzes gefunden, wo er drohte, sich durch einen Sturz in die Tiefe umzubringen. Anschließend drohte er damit, sich mit einer Gasflasche in die Luft zu sprengen. Das Gebäude wurde evakuiert, ebenso wie das nebenan gelegene Ministerium für Landwirtschaft und Ernährung. Schließlich konnte das Schlimmste verhindert werden, und der 28-Jährige wurde nach dem Eingreifen einer Spezialeinheit der Polizei festgenommen. Hinter der tragischen Figur eines psychisch kranken, verletzlichen Flüchtlings verbirgt sich ein nicht ganz so persönliches Drama.
„Sayed, Palästina, Gaza, die ganze Familie kaputt, 15 [Menschen] kapput, Sayed, Baby“. Mit diesen Worten beschrieb (auf in.gr) ein Nachbar, ein Einwanderer, der ihn kannte, den Palästinenser und erklärte, dass der 28-Jährige in den letzten Tagen in Gaza 15 Familienmitglieder verloren habe, darunter auch Babys. Anderen Berichten zufolge sind mindestens drei Mitglieder seiner Familie im Gazastreifen durch israelischen Beschuss getötet worden. Nach Angaben der Polizei hatte der 28-Jährige vor einigen Tagen bereits mit Selbstmord gedroht und war deshalb in eine psychiatrische Klinik eingeliefert worden.
In einer Erklärung unterstreicht die antirassistische Organisation Keerfa, dass „hinter der tragischen Figur des palästinensischen Flüchtlings, der mit dem Sturz vom 6. Stockwerk gedroht und mit dem Abschiebepapier in der Hand gewunken hat, ein ganzes unmenschliches System der Ablehnung der legitimen Asylanträge von Tausenden von Flüchtlingen steht. Wenn es sich dabei sogar um einen Mann handelt, der drei Mitglieder seiner Familie in Gaza verloren hat, ist dies eine weitere Dimension der Behandlung der Opfer des Völkermordes des Terrorstaates Israel in Palästina. […] Das Eingreifen des Polizei-Teams hätte zu einer Tragödie führen können und wurde nur vermieden, weil genügend Menschen zum Ort des Geschehens eilten. […] Die Politik der Ablehnung von Asylanträgen ist es, die Tausende von Flüchtlingen in die Verzweiflung und in die Hände von Schleppern treibt“, sagt die Organisation und erinnert daran, dass am Freitag die Berufungen gegen die Ablehnung der Asylanträge von 17 Überlebenden des Schiffbruchs von Pylos geprüft werden.

Wenige Stunden vor Bekanntwerden des Vorfalls mit dem jungen Palästinenser aus der Acharnon-Straße wurden Fotos von der jüngsten Bombardierung von Khan Younis durch die israelische Armee veröffentlicht, wo viele vertriebene Palästinenser Zuflucht gefunden hatten. Ganze Familien wurden im Sand begraben, mindestens 40 Tote und 60 Verletzte, viele werden vermisst. Wie die Journalistin Marianna Tziantzi in ihrem Beitrag schrieb, „dauerte der „Thriller“ in der Acharnon-Straße, wie er genannt wurde, nur wenige Stunden, aber der blutige Thriller in Gaza und im Westjordanland geht weiter, er ist für die Menschen, die dort leben, und für uns zur täglichen Realität geworden. […] Wie viele „famili kaputt“? In welcher Hölle sind die Lebenden, die Überlebenden, zum Leben verurteilt?“
Anmerkung
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(1) zur Ermordung von Zak Kostopoulos in Athen siehe: „Vier Polizisten nach Mord an LGBTIQ-Aktivist angeklagt“

