Dystopie der Inhaftierung

Die EU setzt mit ihren vor kurzem verabschiedeten Asyl-Gesetzen vor allem auf Inhaftierung. Eine neue, allen zugängliche interaktive Datenbank zeigt, wie sehr Gewalt und Entrechtung die bereits in Griechenland existierenden Haftanstalten für Geflüchttete kennzeichnen.

Screenshot aus der Datenbank

Von Dimitris Angelides, efsyn 17.04.24:
„Dystopie der Inhaftierung.
Die interaktive Open-Source-Datenbank „Detention Landscapes“, die von der Forschungsgruppe „Border Criminologies“ an der Universität Oxford, dem Border Violence Monitoring Network (BVMN) und dem Mobile Info Team erstellt wurde, zeichnet erstmals ein umfassendes Bild der grausamen Realität in den Verwaltungshaftanstalten für Flüchtlinge und Migranten in Griechenland.
Die neue interaktive Open-Source-Datenbank „Detention Landscapes“, die ab heute unter https://detentionlandscapes.uwazi.io/en/ öffentlich zugänglich ist, vermittelt ein dokumentiertes und möglichst umfassendes Bild der systematischen Gewalt, die von den Behörden in den Verwaltungshaftanstalten für Flüchtlinge und Migranten in Griechenland ausgeübt wird.
Die „Detention Landscapes“ wurden erstellt, damit sie von Anwälten, Forschern, Journalisten und Organisationen genutzt werden können, um Verstöße in der Verwaltungshaft zu dokumentieren und rechtliche Schritte zur Verteidigung der Opfer einzuleiten.

Die Datenbank kann kontinuierlich zu aktualisiert werden. Sie enthält im Moment:

● 48 Orte der administrativen Inhaftierung von Flüchtlingen und Migranten in ganz Griechenland, offizielle, inoffizielle und versteckte, mit Informationen über ihren Standort, ihren Betrieb und ihre Verwaltung.

● 83 Zeugenaussagen, die von Inhaftierten in den letzten vier Jahren gegenüber einem Forscherteam gemacht wurden, das aus Mitglieder von Organisationen in Griechenland bestand. Die Aussagen, die entweder telefonisch oder persönlich gemacht wurden, zeugen von dem fehlenden Zugang zu Dienstleistungen und den entsetzlichen Lebensbedingungen.

Es gibt Berichte über brutale Gewalt, lange Zeiträume willkürlicher Inhaftierung und entwürdigende und unmenschliche Lebensbedingungen in Zellen voller Insekten und Ungeziefer, mit begrenztem Zugang zu warmem Wasser, angemessener Nahrung und medizinischer Versorgung, selbst in Notfällen. „Diese Berichte beschränken sich nicht auf einzelne Einrichtungen, sondern sind im ganzen Land zu finden, sowohl in geschlossenen Strukturen als auch in Haftanstalten vor der Abschiebung“, schreiben die Macher der Datenbank.

● Mehr als 70 Fotos und Videos, die die beklagenswerten Haftbedingungen zeigen.

● Mehr als 100 Vorfälle von Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Hafteinrichtungen, von denen mehr als 500 Häftlinge betroffen waren.

355 Quellen, darunter wissenschaftliche Berichte und Erhebungen, Medienveröffentlichungen und Dokumente über das öffentliche Beschaffungswesen, die nützliche Informationen über die Inhaftierungspraktiken enthalten.

● Den Autoren der Datenbank zufolge ist die Inhaftierung zu einem äußerst besorgniserregenden Aspekt der Asyl- und Abschiebungsverfahren in ganz Europa geworden. Flüchtlinge und Migranten sind verwerflichen Bedingungen und systematischer Gewalt ausgesetzt, die in geschlossenen Strukturen stattfindet, die sich zunehmend mehr versteckt werden. Dies führt zu einem Vakuum, in dem es für die Inhaftierten fast unmöglich ist, ihre Rechte einzufordern.

Andriani Fili, Border Criminologies, Universität Oxford: „Mit einem zutiefst rassistischen Hintergrund“:

„Aufgrund meiner Erfahrungen, die ich in den letzten 13 Jahren sowohl als Forscherin als auch als NGO-Mitarbeiter in Einwanderungsgefängnissen des Landes gemacht habe, ist die Gewalt an diesen Orten endemisch und hat einen tiefgreifenden rassistischen Hintergrund. Die Verstrickung vor allem der Polizei in eine Täterrolle, aber auch anderer Entscheidungsträger in die Verschleierung dieser Übergriffe und die Förderung einer Kultur der Straflosigkeit kann nicht länger als Zufall oder als Problem einer „undisziplinierten“ Minderheit betrachtet werden.

„In einer Zeit, in der wir leider aufgrund aktueller Ereignisse erneut mit den Pathologien der griechischen Polizei konfrontiert werden, hoffen wir, mit dieser Initiative Vorfälle von Willkür an die Öffentlichkeit zu bringen und eine Debatte anzustoßen, die die verantwortlichen Behörden zur Rechenschaft zieht“, schreibt Andriani Phili, Postdoktorandin am Zentrum für Kriminologie und Co-Leiterin des Forschungsnetzwerks Border Criminologies an der Universität Oxford.“

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