Jede Rede von Mitsotakis ist eine Prüfung der Logik

Von Thanos Kamilalis, The PressProject, 31.8.2023:
„Jeder Auftritt von Kyriakos Mitsotakis im Parlament, nach einer der Katastrophen, die während seiner Amtszeit zur Normalität geworden sind, ist ein endloser Angriff auf die Logik. In der Regel handelt es sich um Verzerrungen, absurde Vergleiche, unverhohlene Lügen, Unkenntnis wissenschaftlicher Tatsachen, Schuldzuweisungen und die für seine Politik notwendige Verbeugung vor der extremen Rechten, wie gefährlich das auch immer für das Leben der Menschen sein mag. Eine Aneinanderreihung von Argumenten ohne Anfang, Mitte oder Ende, ohne Kohärenz, in der Logik von „whatever works“. Ein bisschen Maui, ein bisschen Teneriffa, ein bisschen Klimakrise, ein bisschen Infragestellung des Ausmaßes der Katastrophe, ein bisschen Evros-Pass und ein bisschen ‚Schuld sind die Flüchtlinge‘. Da kommt keine Übernahme von Verantwortung für die größten Brandkatastrophen in Europa in diesem Jahr, sondern im Wesentlichen ein Buffet für seine Anhänger, die sich aussuchen können, was sie glauben wollen.

Mehr als 1,5 Millionen sind die tragische Bilanz, die täglich steigt. Allein in Evros gibt es über 800 000 verbrannte Hektar, während das Feuer fernab der Nachrichten weiter brennt. Für den 13. (wörtlich: dreizehnten) Tag ist dies der größte Brand in Europa in den letzten 20 Jahren, soweit die Daten europaweit erfasst werden. Der Wald von Dadia, der verloren ging, war etwas Einzigartiges, wie der Vorsitzende der Abteilung für Forstwirtschaft und natürliche Umwelt Alexandros Dimitrakopoulos erklärte. Dem ging vor einem Monat der verheerende Brand auf Rhodos voraus, der am fünften Tag zu einer sofortigen Evakuierung führte, dem neuen Dünkirchen, wie es den Medien präsentiert wurde. Dem vorausgegangen war der Brand in Magnesia, der durch die für ein Land in Friedenszeiten fast beispiellose Explosion in einem Munitionslager in Nea Anchialos gekennzeichnet war. Nach Angaben der Nationalen Beobachtungsstelle von Athen gab es in diesem Jahr insgesamt 52 % weniger große Waldbrände und 195 % mehr verbrannte Flächen im Land

Während dies geschieht, wird das Land von einer Regierung geführt, die seit mehr als 4 Jahren an der Macht ist. Während ihrer Amtszeit erlebten wir den katastrophalen Sommer 2021 in Euböa, Ilia und Attika, der eigentlich eine Lehre gewesen sein sollte. Damals entschuldigte sich der Premierminister „für alle Unzulänglichkeiten“ und fügte hinzu, dass „alle Versäumnisse aufgedeckt“ und „die Verantwortlichkeiten zugewiesen“ würden. Die konkreteste Aktion, an die wir uns aus dieser Zeit erinnern, war, als die Bereitschaftspolizei zwei Monate später Feuerwehrleute verprügelte, die eine Anstellung suchten.

Zwei Jahre später sehen wir als Zuschauer wieder dieselbe verbrannte Landschaft. Am 7. Juli feierte Kyriakos Mitsotakis die sehr methodische Planung, die sie für die Feuersaison durchgeführt hätten, mit mehr Luftfahrzeugen, mehr Präventionsmaßnahmen, besserer Koordination. Am 25. Juli, nach der Katastrophe auf Rhodos, räumte er in einer Rede vor dem Ministerrat Versäumnisse ein und sagte, dass „Präventionsmaßnahmen von nun an im Mittelpunkt unserer Planung stehen werden“.

Am 31. August, als das Feuer in Evros noch immer brannte, beanspruchte der Premierminister im Parlament etwa anderthalb Stunden der Zeit seiner Zuhörer mit einem „Was auch immer funktioniert“-Argument. Er begann mit der Feststellung, dass „wir zwar besser vorbereitet waren als in jedem anderen Jahr, aber mit einer explosiven Kombination von Faktoren konfrontiert waren“.

Er sprach über den Klimawandel. Klimawandel gibt es natürlich in allen Ländern, die Frage ist, wie bei Pandemie und bei der Teuerung, wie jeder einzelne auf die Herausforderungen reagiert. Die Zahlen für das Jahr 2023 für den schwarzen Vorsprung des Landes in Europa sind unerbittlich. Deshalb hat der Premierminister die Zahlen zunächst subtil in Frage gestellt. Er argumentierte, dass in den 800 Tausend Hektar, die in Evros brennen, „harmlose Teile enthalten sind“, und fügte hinzu, dass in Rhodos „der Schaden nicht so groß ist, wie wir anfangs gesagt haben“.

Kurz darauf, in seiner zweiten Rede, warf er der Opposition ein „selektives Lesen der Zahlen“ vor. Natürlich kann es kein „selektives Lesen“ geben, wenn man die Gesamtzahlen für 2023 präsentiert. Die Regierung zieht gerne Vergleiche mit dem Ausland, wenn ein Land irgendwo im Ausland eine schlimmere Krise als Griechenland hat. Aber was kann man tun, wenn man in diesem Jahr das Schlusslicht in Europa ist? Man kann sich mit Portugal in den Jahren 2016 und 2017 vergleichen. Ich meine, wir haben dieses Jahr eine schwarze Bilanz, aber vor 7 Jahren ging es Portugal noch viel schlechter. Nach einer stürmischen Analyse, in der er die Abgeordneten aufforderte, in den Papieren, die er in der Hand hielt, „die Höhen von den Balken aus zu betrachten“, räumte er jedoch ein, dass „Griechenland in der Tat historisch gesehen drei sehr schlechte Jahre gehabt hat. 2007, das historisch schlechteste, 2021 und 2023“. Dass zwei der drei Jahre unter seinen Regierungen waren, blieb unerwähnt.

Aber ja, erzählen Sie uns noch einmal von Hawaii, Kanada und Teneriffa. Wir hören Ihnen sehr genau zu.

Was die Kritik an den Bränden, die nicht gelöscht werden, angeht, so behauptete der Premierminister vulgär, sie richte sich gegen die Feuerwehrleute, die an vorderster Front die Flammen bekämpfen. „Man kann nicht den Feuerwehrleuten applaudieren und ihnen gleichzeitig vorwerfen, dass sie das Feuer nicht löschen“, sagte er an einer Stelle. Es versteht sich von selbst, dass niemand den Feuerwehrleuten einen Vorwurf macht, die mit spärlichen Mitteln und in vielen Fällen sogar mit Wassermangel gegen die Brände vorgehen müssen. Kritisiert werden die fehlenden Mittel, die Tausende von Feuerwehren und Forstämtern, das Fehlen von Brandschneisen, die Tatsache, dass Schutz als Luxus angesehen wird. Aber keine Verzerrung scheint zu viel für einen Premierminister zu sein, der systematisch versucht, sich vor großer Verantwortung zu drücken (leider erfolgreich).

„Fast sicher“

Ein solcher Versuch, der alle Rekorde der Vulgarität und des Flirtens mit der extremen Rechten bricht, ist Mitsotakis‘ Schlussfolgerung, dass Flüchtlinge für den Brand in Evros verantwortlich waren. „Es ist fast sicher, dass die Ursache des Feuers in Evros von Menschen verursacht wurde“, argumentierte er und fügte dann hinzu, dass das Feuer „auf Routen auftrat, die Migranten benutzen“.

Gibt es dafür irgendwelche Beweise? Der Premierminister sagte lediglich, er habe „Informationen“, womit er wahrscheinlich den Geheimdienst meinte, die auch an verschiedene Medien „durchgesickert“ sind, was das Szenario zu einer Gewissheit macht. Andererseits sind die Feuerwehr und das Nationale Observatorium von Anfang an davon ausgegangen, dass der Brand durch einen Blitzeinschlag nach einem trockenen Gewitter verursacht wurde.

Mit anderen Worten, in den Tagen, in denen wir verschiedene faschistische Kopfgeldjäger beobachten, die in Evros frei herumlaufen und Flüchtlinge gefangen nehmen, … hat Kyriakos Mitsotakis es für angebracht gehalten, diese rechtsextremen Verschwörungstheorien weiter zu tragen. Er hat … die rassistischen Reflexe der Gesellschaft gestreichelt, was das nächste Verbrechen schürt. All dies, nur um einen weiteren „Schuldigen“ für sein eigenes Versagen zu finden.

Und als ob dieser Hinweis noch nicht genug wäre, machte Mitsotakis in seinem rechtsextremen Handbuch nicht nur die Flüchtlinge verantwortlich, die zu Tode verkohlt waren, sondern griff auch die NGOs an. „Diejenigen, die sich in Dadia befanden, hätten nicht dort sein dürfen, wo der Notruf 112 in zwei Sprachen, Griechisch und Englisch, ausgestrahlt wurde, und wo die Evakuierung für alle angeordnet wurde. Wer hat sie dorthin geschickt? Sind die NGOs letztlich mitverantwortlich dafür, dass sie dorthin getrieben wurden und ihr Leben verloren haben?“ sagte er und fügte hinzu, dass „wir nicht nur Waldschützer, sondern auch Grenzschützer in Evros einstellen werden, weil die Grenzsicherheit für diese Regierung eine Priorität ist“.

Alles ist gut

Schuld ist also der Klimawandel, der wahrscheinlich in diesem Jahr eingetreten ist, Schuld sind die Brandstifter, die auch Flüchtlinge sind, Schuld ist die Opposition. Nur 4+ Jahre Regierung sind nicht schuld. Es ist bezeichnend, dass wir außer dem „Evros-Pass“ und der „sofortigen Inhaftierung von Brandstiftern“ nicht eine einzige neue Maßnahme zur Bekämpfung von Bränden gehört haben. Im Gegenteil, Mitsotakis sagte sogar ein klares Nein zur dauerhaften Beschäftigung von saisonalen Feuerwehrleuten, mit dem Argument, „was man mit ihnen in den anderen Monaten machen soll“ – trotz der Vorschläge der Opposition, sie bei Präventionsmaßnahmen einzusetzen. Er forderte „viel mehr Freiwillige“, wobei er die individuelle Verantwortung der Bürger ins Spiel brachte.

Ist es möglich, dass alles gut gemacht war, wenn eine solche Katastrophe geschieht? Die Logik sagt nein, Mitsotakis sagt ja.

Aus diesem Grund hat er sich nicht auf eine Diskussion über strukturelle Veränderungen im Waldschutz eingelassen, er hat die tausenden von Lücken in der Feuerwehr und den Forstdiensten nicht anerkannt, er hat die beispiellose und nicht wiedergutzumachende Katastrophe in Dadia nicht anerkannt, er hat nicht über die Notwendigkeit einer besseren Koordinierung und der Stärkung der Waldbrandbekämpfung mit technischen Mitteln gesprochen. Eine weitere Katastrophe, eine weitere Rede,die mit Verzerrung, Arroganz und einem Angriff auf die Kritik arbeitete.

Ich weiß, dass die Debatten im Parlament leider nur von sehr wenigen Bürgern dieses Landes verfolgt werden. Die meisten werden durch eine Schlagzeile und ein zweiminütiges Video mit Zitaten in den Nachrichten oder Medien „informiert“. Aber versuchen Sie doch einmal, sich eine ganze Rede des Premierministers anzuhören, der seit mehr als vier Jahren im Parlament sitzt. Viel Glück für Sie (uns).“

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