
Von Achim Rollhäuser
Der Bericht in der Griechenland-Zeitung verharmlost die Zusammenhänge, verharmlost die Zusammenarbeit von Neonazis auf europäischer Ebene, verharmlost die Verantwortung der Polizei.
Der 29-jährige Michalis aus Elefsina war Fan von AEK Athen. Er wurde von Neonazis erstochen, die mit blinder Gewalt Menschen angriffen, die auf dem Platz vor dem Stadion Kaffee tranken oder sich amüsierten. Bei diesem faschistischen Angriff, bei dem die ungefähr 150 Neonazis wahllos auf alle Anwesenden, unabhängig von ihrem Alter, einschlugen, mussten acht weitere Personen ins Krankenhaus eingeliefert werden, darunter die 13-jährige.
Der Vorfall unterscheidet sich von dem, was wir in Griechenland (leider) als Fan-Gewalt gewohnt sind (wie z. B. der brutale Mord an Alkis in Thessaloniki im Februar 2022). Es gab jetzt in Philadelphia keine „Verabredung“ zwischen Fangruppen zu „Schlachten“, bei denen Tote schon mal in Kauf genommen werden, es handelte sich nicht um eine kleine Gruppe, es war keine Abrechnung, und es war auch nicht die Art von Ausschreitungen, die durch einen Elfmeterpfiff in einem Derby ausgelöst werden. Es war die bewusste Entscheidung von Nazi-Fangruppen, 1500 Kilometer zu reisen, obwohl sie das Stadion nicht betreten durften, nur um ihnen Unbekannte anzugreifen und das Stadion zu „kapern“.
Die Hooligans dieser Gruppe bezeichnen sich selbst als Nazis und unterstützen rassistisches und nationalistisches Gedankengut; sie sind eine Säule der (neo-)nazistischen Gewalt in Kroatien. Ihre faschistische Identität offenbart die politischen und sozialen Tendenzen, die ihnen zugrunde liegen, aber auch die Mentalität, die sie bei Dutzenden von Angriffen gegen diejenigen, die sie als „fremd“ und „anders“ betrachten, Messer und andere Waffen mitführen ließ und lässt.
Der Angriff, der sich in Athen ereignete, wurde von einer Gruppe von Panathinaikos-Hooligans unterstützt. Auf der Grundlage dieser „Zusammenarbeit“ wurde der gewalttätige Angriff geplant und durchgeführt. Die kroatischen Neonazis verfügten über genaue Anweisungen, Kenntnisse und Pläne, um „schweren Schaden anzurichten“, wie sie in den Tagen zuvor in den sozialen Medien und auf rechtsextremen Websites geschrieben hatten. Diese blutige Komplizenschaft der Faschisten verdeutlicht die grenzüberschreitende Dimension des Problems.
Dieser Angriff ist zwar anders, aber er ist kein Einzelfall. Er ist Teil der gewalttätigen und faschistischen Tendenz bestimmter Fangruppen, die (neo-)nazistische Züge tragen und den Faschismus in all seinen Formen verteidigen, mit katastrophalen Folgen für die Vereine und die Gesellschaft.
Schockierend ist, dass die Nazis von Dynamo Zagreb ihre Absichten zwar lautstark kundtaten, ihnen aber keinerlei Hindernisse in den Weg gelegt wurden. 150 und mehr von ihnen reisten unter „diskreter“ Polizeibewachung mit Waffen ins Land ein. Der Polizei waren diese Vorbereitungen bekannt, wie aus offiziellen Dokumenten hervorgeht. Sie wusste, dass die Nazis von Kroatien aus starten würden, sie wusste, wann sie in Montenegro ankamen, sie wusste, wann sie die griechisch-albanische Grenze überquerten, sie wusste, wo sich die Nazi-Anhänger in Athen aufhalten würden, sie wusste, dass sie den Elektrikó (die alte U-Bahn-Linie) bestiegen, sie wusste, wann sie am AEK-Stadion ankämen und angreifen würden. Trotzdem hat die Polizei erst gehandelt, als es bereits zu spät war.
Das tragische Ereignis selbst, das Gerede über Vergeltung, die berechtigte Empörung über den Anschlag und die Haltung des Staates und der Polizei erwecken immer wieder das Gefühl, dass der Wert des menschlichen Lebens in Griechenland gefährlich niedrig geworden ist. Dass sich die staatliche Planung von den Bränden, von den Zügen (s. das Verbrechen von Tempi) bis zu den Stadien auf Repression und „Sehen wir mal, wohin’s führt“ reduziert hat. Der Staat hat wieder einmal gezeigt, dass er unfähig, vor allem aber auch unwillig ist, faschistischer Gewalt entgegenzuwirken. Genau das versucht er durch die Entlassung subalterner Polizeibeamten zu verbergen.
Jeder in Griechenland weiß, dass die Polizei bis hoch zur Führungsspitze mit Nazis verbandelt ist. Etwa 50 % der normalen Polizisten wählen Nazi-Parteien, bei der Bereitschaftspolizei sind es bis zu 70 %. So wird es verständlich, dass die kroatischen Faschisten derart unbehelligt bis vor das AEk-Stadium kommen konnten. Wenn das nicht erklärt wird, denkt d*ie unbefangene Leser*in, dass es die Polizei nicht besser gekonnt hätte. Aber daran liegt es nicht, sondern an dem strukturellen Problem der Unterwanderung der griechischen Polizei selbst durch die Neonazis.

