Ziemlich gute Freunde


Von Ralf Kliche
Auf seinem Staatsbesuch in Washington im Oktober 2017 tauschte Alexis Tsipras nicht nur Nettigkeiten mit Donald Trump aus. Er beauftragte auch die Modernisierung griechischer F-16 Kampfjets mit einem Volumen von ca. 1,1 bis 2,5 Milliarden Dollar. Dies hatte bei vielen Betrachtern der griechischen Entwicklungen noch eine Mischung aus Überraschung und Ungläubigkeit ausgelöst. In seinem – noch immer lesenswerten – und auch an dieser Stelle verlinkten Artikel „Tsipras zieht bei Trump Spendierhosen an“ machte Wassilis Awestopoulos deutlich, welchen ideologischen Weg der griechische Ministerpräsident zurückgelegt hatte, bis er gegenüber Trump sagen konnte: „Wir teilen die gleichen Wertvorstellungen.“ (1)
Heute, ungefähr ein Jahr danach, ist Gewöhnung an die Stelle der Überraschung getreten. Die Beziehungen zwischen beiden Staaten wurden in dieser Zeit derart intensiviert, dass die Kathimerini berichten kann: „Ein Diplomat, der die Situation kennt, teilte der Kathimerini mit, dass die Beziehungen zwischen Athen und Washington in den letzten 50 Jahren nie so gut waren wie heute.“ (2)

Ein Ausdruck dieser Freundschaft ist sicherlich die Auswahl der USA als Ehrengast auf der gerade zu Ende gegangenen Messe von Thessaloniki – im Vorjahr war dies China. In diesem Zusammenhang wurde immer wieder deutlich, dass diese Zusammenarbeit zwei Seiten hat: eine ökonomische und eine militärische. Oder mit den Worten von Tsipras‘ Twitter-Account anlässlich des Besuchs des US-Handelsministers Wilbur Ross: Dieser sende „… eine starke Botschaft in die Region, symbolisch wie auch ökonomisch. Jetzt, wo Griechenland die Krise hinter sich lässt, wird es mehr und mehr zu einem Anker von Stabilität, Entwicklung und Sicherheit in der Region… Die Teilnahme der USA als Gastland der Internationalen Messe von Thessaloniki unterstreicht die große Bedeutung der Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern“. (3)

Schaut man sich die ökonomische Zusammenarbeit an, so wird die US-Sicht auf die griechischen Wünsche nach Investitionen am deutlichsten in dem umfangreichen Interview, das der US-Boschafter Pyatt am 11. September 2018 der Wirtschaftszeitung Naftemporiki gegeben hat. (4) Pyatt spricht von einer ausgeglichenen Handelsbilanz und wachsenden US-Investitionen, die noch weiter ausgebaut werden sollen. Als Bereiche mit besonderem Investitionsinteresse nennt er
a) Tourismus – er spricht von Luxushotels (Hyatt, Marriott, Wyndham – Konzern) aber auch Avis. Dabei macht er deutlich, dass er von der griechischen Regierung wünscht, endlich die Hemnisse für Investitionen auf dem alten Flugplatz Hellinikon aus dem Weg zu räumen. US-Konzerne hätten Interesse an dem Projekt.
b) Energiesektor – er hebt Exxon-Mobile hervor und die „gemeinsame“ Erschließung von Ölvorkommen rund um Kreta. Im Kampf um die „Diversifizierung“ der europäischen Energieversorgung, sprich die Zurückdrängung russischer Energielieferungen, sieht er eine völlige Deckungsgleichheit amerikanischer und griechischer Interessen. Gemeinsam lehnen sie sowohl die Ostseepipeline Nord-Stream II ab, als auch den Ausbau der „Turkish Stream“-Pipeline aus Russland durch das Schwarze Meer in den europäischen Teil der Türkei. Stattdessen arbeite man gemeinsam an der Trans-Adriatischen Pipeline TAP, die ab 2020 unter Umgehung Russlands Gas direkt aus Aserbeidschan nach Europa liefern und durch Nordgriechenland und Albanien bis nach Italien verlaufen soll. (5)
c) Logistik – er spricht u.a. von amerikanischem Interesse an der Privatisierung des Hafens von Alexandroupolis, aber auch von Investitionen in die Werften-Branche. Im August hatte Tsipras die zuvor bankrotte Neorio-Werft auf Syros wieder eröffnet, nachdem sie von der ONEX-Gruppe aus den USA übernommen worden war. (6) Der Investor hatte sich bereit erklärt, ausstehende Gehaltszahlungen zu übernehmen (der Bericht spricht von 10 Mio. Euro), die Schulden gegenüber staatlichen Unternehmen, wurden ihm dagegen zu 85% erlassen.
d) Start-Ups – er schildert dies als griechische Chance, in die USA gezogenes griechisches Ingenieur-Know-How wieder zurück zu bringen, dann halt ggf. auf einer US pay-roll.

Und zu den Rahmenbedingungen: „Die größte Sorge, die ich von amerikanischen Investoren höre, ist die Rolle des Staates. Aus diesem Grund ist die Verwaltungsreform, die Fortsetzung der Verwaltungsreform so wichtig. Deshalb ist die Beseitigung der bürokratischen Engpässe so wichtig.“ (4)

Ein Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit wird von Pyatt nicht erwähnt, wird aber symbolisch gut aus der Tatsache erkennbar, dass während der Messe das Flaggschiff USS Mount Whitney in Thessaloniki stationiert wurde: auch der Verkauf von Kriegsgerät an Griechenland liegt in US-Interesse – Trumps Lob der Höhe der griechischen Militärausgaben soll sich sicherlich auch für Rüstungsunternehmen aus den USA auszahlen. So waren auf den Messeständen etwa (neben vielen aus der Pharmaindustrie) acht Aussteller aus der Sicherheits- und Militärbranche vertreten wie z.B. Lockheed Martin, Erickson Incorporated, Alpha Systems.(7)

Für die Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit hat Niels Kadritzke im November 2017 den Umgang mit der Marinebasis Souda auf Kreta als Testfall benannt. Dort würde sich erweisen, wieweit die griechische Regierung die Intensivierung der militärischen Zusammenarbeit mit USA und NATO tatsächlich vorantreibe. Die besondere Bedeutung des Standortes für die US-Marine sowie für die Abdeckung des Nahen Ostens durch die US-Luftwaffe hat sich immer wieder bewiesen, von den Auseinandersetzungen um die Zerschlagung Jugoslawiens bis zu den IRAK-Kriegen – jetzt ist die Leistungsfähigkeit der Basis aber nach US-Angaben an ihre Grenzen gestoßen. Temporär in Griechenland neu stationierte MQ-9 Kampfdrohnen etwa wurden nicht nach Souda gebracht, sondern auf den Luftwaffenflugplatz von Larissa.

Der Testfall ist also noch nicht entschieden. Die US-Wünsche um qualitative und quantitative Ausweitung ihrer Militärpräsenz treffen aber, angesichts der Sorgen um die Entwicklungen in der Türkei, auf offene Ohren in der gesamten griechischen Regierung. Deshalb stieß auch ein Bericht des Wall Street Journal auf Interesse, der den griechischen Hoffnungen einen Dämpfer verpasste. (8) Die dort zitierten US-Militärs machten deutlich, dass das verstärkte US-Interesse an Griechenland nicht zu Lasten der Türkei-Zusammenarbeit gehen wird. „Es ist nicht beabsichtigt, dass unsere bilaterale Beziehung zu Griechenland irgendwie auf Kosten der Türkei geht“ – so Marinegeneral Joe Dunford. Incirlik sei größer, für Nato-Operationen ausgelegt und näher an Syrien.

Umso erfreuter sind die Militärs darüber, nun von allen relevanten Parteien – Nea Dimokratia und Syriza – umworben zu werden. „Am vielleicht wichtigsten für die USA ist, so sagten US-Offizielle während eines Besuches in den letzten Tagen, dass sowohl die derzeitige griechische Regierung wie auch die führende Oppositionspartei empfänglich für unsere Wünsche sind. Offizielle Quellen sagten, dass sie die Chance für eine umfangreichere Nutzung griechischer Einrichtungen und die temporäre Stationierung von mehr Truppen sehen.“ (8)

Besser könnte ich das auch nicht sagen.

Quellen:
(1) https://www.heise.de/tp/features/Tsipras-zieht-bei-Trump-Spendierhosen-an-3864356.html
(2) http://www.ekathimerini.com/232644/article/ekathimerini/news/us-defense-interest-goes-beyond-souda-bay
(3) https://www.naftemporiki.gr/story/1389173/us-sect-of-commerce-ross-arrives-in-thessaloniki-meets-with-tsipras
(4) https://gr.usembassy.gov/ambassador-pyatts-interview-to-naftemporiki/
Eine detaillierte Analyse der amerikanisch – griechischen Beziehungen in Wirtschafts- und Militärpolitik findet sich in Kadritzkes Text über den Tsipras-Besuch im November 2017: „Tsipras in Trumps Rosengarten“ https://monde-diplomatique.de/shop_content.php?coID=100110
(5) Von der East Med Pipeline, mit der israelisches Gas über Zypern nach Griechenland geschickt und dann an die TAP angebunden werden soll, ist in dem Gespräch nicht die Rede.
(6) https://www.griechenland.net/nachrichten/politik/24291-tsipras-auf-syros-%E2%80%93-wiederaufnahme-der-arbeit-der-neorio-werft?highlight=WyJzeXJvcyJd , http://en.protothema.gr/us-company-onex-owned-by-panos-xenokostas-to-buy-neorion-shipyard/
(7) https://www.naftemporiki.gr/afieromata/story/1390349/amerikaniki-hi-tech-apobasi-stin-83i-δεθ
(8) https://www.wsj.com/articles/u-s-military-looks-toward-greece-amid-strains-with-turkey-1536696318

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Eine Antwort zu Ziemlich gute Freunde

  1. SeppDepp schreibt:

    der deutsche Michel rettet den Griechen mit Milliarden, damit der Grieche dann bei den Amis für Milliarden Kampfjets einkauft. Da frag ich mich jetzt, wer ist bei diesem Geschäft der Dumme?

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