Erster Bericht der Griechenlandsoli-Reisegruppe

Mittwoch 16. September, Heraklion

Wir sind angekommen.

Es ist ja noch vier Tage vor dem gemeinsamen Programm der Gruppe „Solireise nach Griechenland“. Wir haben unsere Erkundungen auf Kreta ausgeweitet, eine Insel, die viele nur von ihren Ferienreisen kennen und wegen ihrer Schönheit und dem milden Mittelmeerklima schätzen.

Ausschlaggebend war, dass die Menschen hier besonders widerständig zu sein scheinen. In Kreta wurde im zweiten Weltkrieg besonders hart gegen die deutsche Besatzung gekämpft. Das zeigen auch die vielen Orte der Erinnerung daran. Beim Referendum über die Austeritätsdiktate wurde an vielen Orten mit Abstimmungsquoten mit „Oxi _Nein“ gestimmt.

Dazu kommt, dass wir begonnen haben, uns am Vertrieb des Olivenöls von „becollective“* in Kreta zu beteiligen. Dies erwies sich als Glücksfall. Die Entscheidung (eines Teils von uns), nach Kreta zu fahren, fiel relativ kurzfristig und wir hatten noch keine Antwort auf unsere Anfragen an verschiedene Projekte der Selbstorganisation, diese zu besuchen, bekommen. Wie zum Beispiel der Sozialen Klinik der Solidarität in Heraklion. In unsere Blickfeld geriet diese Initiative durch einen Aufruf für ein internationales Solidaritätsnetzwerk, der im Juli 2015 gestartet wurde.

Dieser Aufruf korrespondierte doch direkt mit dem Anliegen unserer Reisegruppe.

Die Gruppe „becollective“ ist offensichtlich gut vernetzt. Jedenfalls brachte ein Anruf bei Alex, einem der Initiatoren, den Kontakt zu Mara, einer Aktivistin der solidarischen Gesundheitsstation, die uns zu einer Versammlung von ehrenamtlichen Helfer_innen einlud, die jeden Mittwochabend in den Räumen der Klinik in der Universität von Heraklion stattfindet. So hatten wir die Gelegenheit, gleich mit einer ganzen Gruppe von Menschen zu sprechen.

An dem Projekt arbeiten 500 Menschen mit. Viele von ihnen, aber nicht alle, kommen aus Gesundheitsberufen und kommen außerhalb ihrer Erwerbsarbeit hierher, wie z.B Corinna, die im Hauptberuf Grafikdesignerin ist.

Es gibt hier, wie in fast allen der über 40 solidarischen Arztpraxen in Griechenland, verschiedene Fachrichtungen, wie Zahnärzte, Kinderärzte, Psychiater usw.

Hierher kommen Menschen, die sich keine Krankenversicherung mehr leisten können.

Jeder neue Patient, der hierher kommt, hat erst mal ein Gespräch mit einer Sozialarbeiterin, in dem die Rahmenbedingungen seiner Erkrankung besprochen werden. Eine Bedürftigkeitsprüfung findet nicht statt. Jeder hat das Recht auf Gesundheitsversorgung! Als wir ankommen, ist der Wartebereich der großzügigen Räumlichkeit gut gefüllt. Die Teilnehmer des Meetings treffen nach und nach ein. Am Schluss sind es nicht viel mehr als 10 Leute, die kommen. Es können keine Entscheidungen getroffen werden. So werden einzelne praktische Dinge besprochen und es werden Spenden (Medikamente und andere Dinge) sortiert, die zu einer Verteilung an Flüchtlinge gebracht werden sollen. Bei unseren Gesprächen stellte sich auch heraus, dass es durchaus auch Kontakte nach Berlin zu Freund_innen von uns gibt. Wir haben das Rad (der Solidarität) ja auch nicht erfunden.

Mara hatte uns mit dem Auto abgeholt. Es ist nicht ganz einfach, das im Randgebiet von Heraklion liegende Gebäude zu finden. Jetzt werden wir von Them wieder in die Stadtmitte zurückgebracht, wo sich das besetzte Haus „Evangelismos“ befindet. Hier treffen wir Akis von „becollektive“ und andere meist anarchistische Aktivist*innen. Das Haus ist zumindest außen frisch restauriert und macht einen stattlichen Eindruck. Wir treffen uns in der Bibliothek. Überall liegen stapelweise Plakate, Broschüren und Flugblätter, wie das in so einem selbstorganisierten Zentrum eben so ist.

Akis und Markus (und später kommt noch jemand dazu) erzählen uns von der Arbeit der Olivenernte, die sich auf die Monate November bis März konzentriert. Die Kerngruppe besteht aus acht Leuten, die auch gemeinsam die Entscheidungen treffen; aber in der Erntezeit kommen noch einige Leute dazu. Die meisten Leute wohnen in der Stadt und fahren dann auf Felder der Umgebung, um zu arbeiten.

Die meisten sind politisch aktiv. An die Wahlen, die am Sonntag stattfinden, haben sie keine Erwartungen. Das zeigt sich auch auf dem Plakatmotiv, das gerade verklebt wird. Auf der anderen Seite bemängeln sie, dass es gerade in der Anarchistischen Szene (in Griechenland) keine Strategie gibt. Es gibt zahlreiche Gruppen, die aber oft sehr individuelle Ansichten haben. Zusammenzukommen ist daher nicht so einfach. Wir berichten über die soziale Situation in Deutschland, über die Schaffung eines Niedriglohnsektors durch die Agenda 2010, die sie sich nicht richtig vorstellen können. Deutschland gilt zu Recht als reiches Land. Wir laden sie ein, nach Deutschland zu kommen. Schließlich soll unser Projekt keine Einbahnstraße sein.

Hans/Cordula

via one struggle one fight

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